Zwei Jahre lang trotzte sie dem Sturm, gestern ist sie schluchzend eingeknickt: Theresa May (62) hat ihren Rücktritt als Parteipräsidentin und somit auch als britische Premierministerin bekannt gegeben. Zu gross wurde der Druck wegen ihrer Brexit-Politik – vor allem aus den eigenen Reihen der Konservativen. Als Datum für den Rücktritt nannte May den 7. Juni.
Ihre Rücktrittserklärung, die sie vor ihrem Amtssitz 10 Downing Street in London verlas, endete in Tränen: «Ich werde in Kürze den Job aufgeben, es war die Ehre meines Lebens. Die zweite Premierministerin, aber sicherlich nicht die letzte. Ich tue dies ohne bösen Willen, aber mit enormer und anhaltender Dankbarkeit. Ich hatte die Gelegenheit, dem Land zu dienen, das ich liebe.»
Noch Trump begrüssen
Theresa May hatte das Amt im Juli 2016 von David Cameron (52) geerbt, der an der Brexit-Abstimmung gescheitert war. Obwohl EU-freundlich, versuchte sie, den Entscheid der Briten verbissen umzusetzen und den Austritt aus der Union vorzubereiten. Das Fass in der eigenen Partei kam zum Überlaufen, als sie Zugeständnisse an die oppositionelle Labour-Partei machte.
Wenn US-Präsident Donald Trump (72) vom 3. bis 5. Juni Grossbritannien besucht, wird May noch im Amt sein. Danach beginnt ein Auswahlverfahren für die Nachfolge. Ab etwa Mitte Juli sollen die Briten einen neuen Premierminister haben.
Johnson in der Favoritenrolle
Als klarer Favorit wird der frühere Londoner Bürgermeister und Ex-Aussenminister Boris Johnson (54) gehandelt. Dieser trat gestern am Swiss Economic Forum in Interlaken BE auf – und wurde dabei seinem Anspruch durchaus gerecht. Obwohl ihn manche wegen seiner erratischen Aussagen der letzten Monate nur noch als Polit-Clown sehen, macht er nun zumindest den Anschein, er könnte in die Rolle des Premierministers hineinwachsen.
Seinen Schalk hat Johnson dennoch nicht verloren. «Es hat sich überraschend herausgestellt, dass heute ein ganz guter Tag war, um nicht in London zu sein», begrüsste er das Publikum. Ein typisch britisches Understatement – denn in England hätte er sich viel aggressiveren Fragen von Medien und Parteikollegen stellen müssen. So konnte er es dabei bewenden lassen, sein Interesse am Amt des Premiers zu bestätigen, ohne gross ins Detail gehen zu müssen. Zum Brexit sagt Johnson: «Ein zweites Referendum wäre eine ganz schlechte Idee.» Und fast drohend fügte er an: «Sie werden schneller mehr von mir hören, als vielen lieb ist!»
Johnson zur Schweiz: «Gebt nicht auf!»
Um noch einmal die Notwendigkeit des Brexit zu unterstreichen, nahm Johnson Rückgriff auf die Geschichte. Die Briten hätten in den 1970ern aus wirtschaftlichen Gründen allen Grund gehabt, der EU beizutreten – nun lägen die Chancen aber ausserhalb der europäischen Währungs- und Wertegemeinschaft. Will heissen: Die Briten haben sich auf Kosten der EU saniert, jetzt wollen sie raus.
Im Hinblick auf das Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU richtete der Ex-Aussenminister einen undiplomatischen Appell an sein Schweizer Publikum: «Gebt nicht nach! Bleibt stark!»
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.