«Die Türkei war, ist und wird ein Kandidatenland sein», sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn nach dem EU-Türkei-Dialog am Freitag in Ankara. Nach dem Putschversuch habe es «Irritationen» auf beiden Seiten gegeben, räumte Hahn ein. Aber gerade weil die Türkei EU-Beitrittskandidat sei, müsse die EU für das Land «höhere Massstäbe anlegen».
Im Streit um die EU-Visumfreiheit für Türken zeigten sich Hahn und der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu optimistisch, dass eine Lösung gefunden werden könne.
Voraussetzung für Visumfreiheit ist aus EU-Sicht eine Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze. Der türkische EU-Minister Ömer Celik nannte das am Donnerstag eine «irrationale Herangehensweise» angesichts der vielen Terrororganisationen, gegen die die Türkei derzeit kämpfe.
Celik und Cavusoglu schlugen vor, für eine Lösung in dem Konflikt den Europarat einzubeziehen, dem die Türkei angehört. Die Visumfreiheit zählt neben Milliardenhilfen zu den Zugeständnissen, die die EU der Türkei gemacht hat, damit das Land illegal in Europa eingereiste Flüchtlinge zurücknimmt.
Hahn und Celik sprachen sich zudem für die Eröffnung der Beitrittskapitel 23 und 24 aus, bei denen es unter anderem um Justiz, Grundrechte und Freiheit geht. Hahn sagte, die Kommission habe mit Vorbereitungen begonnen, die Entscheidung liege aber bei den Mitgliedsstaaten. Zypern blockiert unter anderem diese Kapitel bislang.
Celik forderte die Eröffnung noch unter der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft. Hahn sagte, er sei wie Celik der Meinung: «Wir sollten die Kapitel 23 und 24 so bald wie möglich eröffnen.»
Celik sprach von einem «Aufrichtigkeitstest» der EU, aus der immer wieder Kritik an der Türkei etwa in Sachen Medienfreiheit komme. «Wenn diese Kritik wirklich den Fortschritt bei Themen wie Demokratie und Grundrechten zum Ziel hat, dann sagen wir: Nur zu, lasst uns diese Kapitel öffnen. Und lasst uns darüber diskutieren, indem eine offizielle Plattform gebildet wird.»
Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini sicherte der Türkei mit Blick auf den niedergeschlagenen Putschversuch vom 15. Juli «volle Solidarität» zu. «Wir haben vereinbart, mehr miteinander und weniger übereinander zu sprechen», sagte Mogherini nach den Beratungen mit Cavusoglu und Celik.
Sie mahnte aber gleichzeitig an, dass beim Vorgehen gegen mutmassliche Putschisten Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden müsse. Celik sagte, die Türkei werde in dem nach dem Umsturzversuch verhängten Ausnahmezustand keinerlei Abstriche bei der Einhaltung der Menschenrechte und bei der Demokratie machen.
Die EU hatte sich besorgt über die Massenfestnahmen nach der Niederschlagung des Putsches gezeigt. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte der EU mangelnde Solidarität vorgeworfen.