Das zeichnete sich am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel ab. Denn «es gibt keine Mehrheit für verpflichtende Flüchtlingsquoten», räumte EU-Ratspräsident Donald Tusk vor dem zweitägigen Gipfel-Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs ein. Ein seit mehreren Tagen zirkulierender Entwurf der Gipfel-Schlusserklärungen hatte dies bereits vorweggenommen.
Darin ist zwar die Rede von der «Verteilung von 40'000 Personen aus Italien und Griechenland, die klar vorübergehenden Schutzes bedürfen, auf andere Mitgliedsstaaten binnen zwei Jahren». Dies betrifft Menschen aus Syrien und Eritrea, die in Europa gute Chancen auf Asyl haben. Die Verteilung soll innerhalb von zwei Jahren erfolgen.
Wohl absichtlich offen bleibt jedoch die Verbindlichkeit dieser Verteilung sowie der konkrete Verteilungsschlüssel. Die Details sollen bis Ende Juli geregelt werden - sprich: Wer wieviele Migranten zusätzlich aufnimmt. Eine verbindliche Quote, wie die EU-Kommission vorgeschlagen hatte, ist definitiv vom Tisch.
EU-Gipfelchef Donald Tusk sagte: «Solidarität ohne Opferbereitschaft ist reine Heuchelei.» Ins gleiche Horn stiess EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Er nannte es traurig, «dass der reichste Teil der Welt diese Debatte führt».
In vielen EU-Ländern gibt es jedoch weiter Widerstand gegen die EU-interne Umverteilung. Ungarn lehnt dies grundsätzlich ab und beklagt seine eigene Überlastung.
Die EU ignoriere Hinweise auf die stark genutzte Flüchtlingsroute über den Balkan, auf der Ungarn liegt, und kümmere sich nur um die Lage am Mittelmeer, sagte Aussenminister Peter Szijjarto im Fernsehen. Dies sei «inakzeptabel und unverständlich». Jeder in Brüssel wisse, dass in Ungarn mehr Flüchtlinge ankämen als in Italien und in Griechenland.
Budapest besteht zurzeit auf einem Abschiebestopp von Flüchtlingen aus EU-Staaten nach Ungarn. Das Argument: Die Betroffenen hätten «wahrscheinlich» in Griechenland zuerst EU-Boden betreten, Ungarn sei daher für sie nicht zuständig.
Der rechtsnationale ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sagte in Brüssel: «Wir sind nicht herzlos, aber auch nicht hirnlos, man muss beides im Gleichgewicht halten.»
Laut Diplomaten dürfte mit der Umverteilung der Flüchtlingen frühestens im Spätsommer gestartet werden. Bis dahin sollen in Italien und Griechenland so genannte «Hotspots» entstehen, wo Asylbewerber in Zusammenarbeit mit Europol, der EU-Grenzschutzagentur Frontex sowie des EU-Asylbüros EASO systematisch registriert und ihnen Fingerabdrücke abgenommen werden sollen.
Wer kein «echter» Flüchtling ist, soll möglichst rasch wieder zurückgeschickt werden. Man müsse die «illegale Migration eindämmen und das sollte unsere Priorität sein», betonte Tusk. «Alle, die keine legitimen Asylbewerber sind, haben keine Garantie, dass sie in Europa bleiben können.»
Die genaue Ausgestaltung dieser Hotspots soll nach Angaben aus EU-Ratskreisen jedoch erst Ende Juli feststehen. Danach müsste im Herbst noch das EU-Parlament zustimmen, was eine konkrete Umsetzung in die Ferne rücken lässt.
Zudem soll Frontex bei der Abschiebung sogenannter «Wirtschaftsflüchtlinge» künftig eine wichtigere Rolle spielen und selbst Rückschaffungen durchführen können. EASO wiederum soll eine Liste «sicherer Herkunftsländer» erarbeiten, in die Asylwerber künftig ohne grosse Prüfung ihrer Anträge rasch abgeschoben werden können. Auch hier sei Juli die Deadline, sagte eine hochrangige EU-Beamtin am Donnerstag.
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten sich laut Text-Entwurf ausserdem dazu verpflichten, dass sich alle Staaten an der Neuansiedlung von 20'000 anerkannten Flüchtlingen direkt aus Flüchtlingslagern etwa rund um Syrien beteiligen.