ETH-Experte Roland Popp zu den Anschlägen in Teheran
«Der Anschlag wird die Spannungen verstärken»

Nach den Anschlägen vom Mittwochmorgen im Iran wachsen die Befürchtungen der totalen Eskalation. ETH- Nahostexperte Roland Popp ordnet für BLICK die Ereignisse ein.
Publiziert: 07.06.2017 um 18:29 Uhr
|
Aktualisiert: 05.10.2018 um 00:23 Uhr
Interview: Stéphanie Jenzer

Heute Morgen wurde die iranische Hauptstadt Teheran von einer Anschlagserie erschüttert (BLICK berichtete). Im Parlament haben mehrere Männer auf Wachen gefeuert, ein Selbstmord-Attentäter hat sich in die Luft gesprengt. Im Mausoleum von Revolutionsführer Khomeini haben Angreifer das Feuer eröffnet und zwei Selbstmord-Attentäter haben sich in die Luft gesprengt. In der Khomeini-U-Bahn-Station wurden Schüsse und Explosionen gehört.

Der Historiker und Nahostexperte Roland Popp befürchtet eine schwere diplomatische Krise zwischen dem Iran und Saudi-Arabien.
Foto: ETH Zürich

ETH-Experte Roland Popp ordnet die Ereignisse für BLICK ein. 

Herr Popp, der IS hat sich zum Anschlag bekannt und gesagt, ihre «Kämpfer» hätten die Ziele angegriffen. Wie glaubhaft ist das?Inzwischen spricht vieles für die Urheberschaft des sogenannten Islamischen Staates. Andere Gruppierungen waren anfänglich durchaus auch in Frage gekommen, z.B. sunnitische Dschihadisten wie die Dschundallah-Gruppe. Oder auch die Volks-Mudschaheddin, die früher viele Terroranschläge gegen Iran durchführten.

Welche Motive könnte denn der IS haben?
Die sunnitische Terrormiliz hat dem Iran bereits mehrmals mit Angriffen gedroht. Iran gilt dem IS in seiner Rolle als schiitische Hauptmacht als eigentlicher Erzfeind – die Dschihadisten sehen Schiiten als Abtrünnige an und verweigern ihnen die Anerkennung als Muslime. Der IS kann mit dem Anschlag im Herzen des Feindes demonstrieren, dass er noch Schlagkraft besitzt. Zudem kann er zeigen, dass er womöglich in einem zukünftigen Konflikt mit Iran eine Rolle spielen kann. Die arabischen Golfstaaten hatten ja in der Anfangszeit durchaus Sympathien für die Idee eines Islamischen Staates in Syrien und Irak.

1/13
Ein kleines Kind wird in Sicherheit gebracht, während die Angreifer sich noch im Innern des Parlamentsgebäudes befinden.
Foto: KEY

Welche Beziehung hat der Iran zum IS?
Die Iraner kämpfen in Syrien und im Irak mit grossem Aufwand und unter hohen Verlusten gegen den IS. Angesichts des Anschlags in Teheran werden sie dies wenigstens so fortsetzen wie bisher. Es wäre aber auch denkbar, dass der Iran noch entschlossener gegen den IS vorgeht, z.B. durch Verlegung von Spezialtruppen nach Syrien.

Mit den Anschlägen in Teheran kam es am Persischen Golf zum zweiten Mal innert weniger Tage zur Eskalation. So haben die Golfstaaten um Saudi-Arabien am Montag Sanktionen gegen Katar ausgesprochen und damit nicht nur eine diplomatische Krise ausgelöst. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen diesem Schritt und dem Terror in Teheran?
Es könnte sein, dass die Anschläge etwas mit der Katar-Isolation zu tun haben – vielleicht sah der IS die Gelegenheit, diese neuen Spannungen zu nutzen und weiter anzuheizen. Offenbar sehen einige Mächte auf sunnitischer Seite, besonders Saudi-Arabien, nun die Gelegenheit, den Iran in der Region komplett zu isolieren und mit amerikanischer Hilfe auch militärisch einzudämmen. Für mich wird Katar vor allem wegen seiner aufgeschlossenen Haltung gegenüber Iran unter Druck gesetzt. Katar war immer ein Befürworter eines diplomatischen Ansatzes gegenüber Teheran. Zudem teilt man sich ein grosses Offshore-Gasfeld mit Iran, das man gemeinsam ausbeutet.

Man steht allerdings nicht überall auf derselben Seite.
Ja, in Syrien stehen Iran und Katar auf entgegengesetzten Seiten. Während Iran die Zentralregierung unter Assad unterstützt, gibt sich Katar als Freund der Opposition aus. Politisch unterstützen die Kataris dort massiv die Muslimbrüder, die inzwischen kaum noch Einfluss haben. Finanziell und materiell unterstützt Katar zudem radikale dschihadistische Gruppen und aus den gehackten Clinton-E-Mails wissen wir auch von der Unterstützung für den Al-Kaida-Ableger in Syrien, inzwischen die stärkste militärische Kraft unter den Oppositionellen.

Was bedeutet die Katar-Krise für die Region?
Wenn es irgendeine Verbindung der Attentäter nach Saudi-Arabien gäbe, dann stehen wir vor einer schweren diplomatischen Krise mit unabsehbaren Folgen. Die iranische Bevölkerung wird jetzt zusammenrücken angesichts der gestiegenen Bedrohung durch den dschihadistischen Terrorismus und die Drohgebärden der sunnitischen Golfstaaten.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?