Es geht um Drogenhandel, Korruption, Auftragsmorde
Mafiaboss packt auf Youtube über türkische Spitzenpolitiker aus

Er hat gemordet, Schutzgeld erpresst, geraubt. Doch noch nie wurde Sedat Peker (49) so gefürchtet wie in diesen Wochen. Seine Waffe ist das Internet. Seine Munition sind brisante Enthüllungen über kriminelle Machenschaften. Sein Ziel ist die türkische Polit-Elite.
Publiziert: 27.05.2021 um 15:23 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2022 um 15:57 Uhr

Jede Woche präsentiert sich Sedat Peker auf Youtube. Mit offenem Hemd und Gangster-Kette um den Hals. Auf der Tischplatte vor ihm liegen Stapel von Unterlagen und ein Buch mit dem Mafia-Titel «Omertà». Seine Kulisse ist offensichtlich der Konferenzraum eines Hotels, vermutlich in seinem Exil Dubai, sein Kanal ist Twitter.

Innenminister Süleyman Soylu soll im Drogenhandel verwickelt sein

Kaum läuft die Kamera, beginnt der Mafiaboss mit der Abrechnung. Über eine Stunde lang zieht er über Teile der Regierung her. Und nennt hochkarätige Namen. Zum Beispiel Süleyman Soylu (51), den Peker als «süslü» (auf Deutsch «der Aufgeputzte») verspottet. Der amtierende Innenminister habe im Kokain-Handel aus Venezuela die Finger im Spiel. Sein Komplize: Der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Binali Yildirim (65).

Ebenfalls auf Pekers Abschussliste steht Mehmet Agar (69). Der Sohn des ehemaligen Polizeichefs sowie Ex-Justiz- und Innenministers habe 2019 eine 18-jährige Journalistin vergewaltigt. Kurz nachdem diese ihren Peiniger bei der Polizei anzeigte, sei ihre Leiche gefunden worden. Mehmet Agar habe versucht, den Tod der jungen Kirgisin als Selbstmord zu vertuschen.

In seinem Video vom Pfingstsonntag unterstellt Peker dem Ex-Innenminister, in den 90er-Jahren an der Ermordung der türkischen Journalisten Ugur Mumcu und Kutlu Adali beteiligt gewesen zu sein. Und auch mit Drogen habe Mehmet Agar zu tun. Fünf Tonnen für die Türkei bestimmtes Kokain seien in Mexiko beschlagnahmt worden – adressiert an eine Chemie-Firma gewesen, die Mehmet Agar und anderen Personen aus AKP-Kreisen gehöre.

Videos des Mafiabosses 14 Millionen Mal geklickt

Überhaupt stecke das politische Ankara tief im Korruptionssumpf. Er habe noch Namen, die er bislang noch nicht Preis gab, droht Peker weiter. Auch Erdogan persönlich könnte Zielscheibe werden. Ein Neffe des Präsidenten wurde bereits wegen Drogendelikten zu vier Jahren Knast verurteilt.

Beweise legt der Mafiaboss nicht vor. Aber er fordert Medien und Ermittlungsbehörden auf, seinen Hinweisen zu folgen. Die Vertrauten Erdogans müssen weniger Strafverfolgung fürchten, vielmehr die Wut des Volkes. Denn Sedat Peker schaffte es zum Serienstar. Sieben Videos stehen bereits im Netz. Die «Peker-Tapes» erreichen bis zu 14 Millionen Klicks.

Erdogan hält bei so viel Popularität mit Kritik zurück. In einer Rede vor Fraktion seiner Regierungspartei äusserte sich der Präsident vage. «In seinem Kampf gegen Terrororganisationen und kriminelle Organisationen waren wir auf der Seite unseres Innenministers, wir sind auch jetzt auf seiner Seite und werden auch in Zukunft an seiner Seite sein», so Erdogan. Früher war Sedat Peker ein glühender Unterstützer des Präsidenten. Als der Mafiaboss wegen einer Verurteilung vor zwei Jahren aus der Türkei floh, kühlte offenbar die Verehrung ab.

Innenminister Süleyman Soylu leugnet vehement die Vorwürfe. Er werde sicher nicht zurücktreten, versicherte er gegenüber türkischen Medien. Soylus Anwalt hat unterdessen Sedat Peker wegen Beleidigung und Diffamierung angezeigt. Ob es diesen stoppen wird?

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