Eröffnet Erdogan das Abstimmungs-Wochenende mit einem Paukenschlag?
Macht Erdogan aus der ehemaligen Super-Kirche Hagia Sofia eine Moschee?

Ausgerechnet am Karfreitag könnte Präsident Erdogan der muslimischen Welt ein grosses Geschenk machen: Möglicherweise verwandelt er die berühmte Hagia Sophia in eine Moschee.
Publiziert: 13.04.2017 um 19:04 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 03:21 Uhr
Zuerst Kirche, dann Moschee, dann Museum. Wird die Hagia Sophia jetzt wieder zur Moschee?
Foto: Getty Images

Der Wahlkampf in der Türkei ist fast vorüber. Am Sonntag werden die Türken über die Zukunft ihres Landes abstimmen und darüber, ob sie Präsident Recep Tayyip Erdogan (63) noch mehr Macht geben wollen.

Der hat in den letzten Monaten alles dafür getan, sein Land weiter zu spalten. Davon verspricht er sich eine Mobilisierung seiner Stammwählerschaft: die sunnitischen Muslime machen etwa 70 Prozent der türkischen Bevölkerung aus.

Macht die Türkei wieder zu einem islamischen Staat: Recep Tayyip Erdogan.
Foto: AFP

Affront gegenüber Christen

Mit einem Paukenschlag dürfte er am Karfreitag genau diese Spaltung vollenden. Bei einem Auftritt in der Hagia Sophia plant er die Umwandlung des Bauwerks in eine Moschee – ein Traum für konservative Muslime und türkische Ultranationalisten, ein Rückschritt für die säkularen Türken und die wenigen verbliebenen Christen des Landes. Das zumindest sagt der Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Kamal Sido, der Evangelischen Nachrichtenagentur Idea.

Eine offizielle Stellungnahme seitens der Regierung gibt es allerdings noch nicht.

Drei Millionen Besucher jedes Jahr: Die wunderschöne Hagia Sophia.
Foto: Getty Images

Den ersten Schritt dazu hatte Erdogan schon im Juni vergangenen Jahres unternommen. Damals las ein Geistlicher erstmals seit 1935 wieder in der Hagia Sophia aus dem Koran. Einen Monat später rief ein Imam von dort aus zum Morgengebet auf – ausgerechnet am Jahrestag der Eroberung der Stadt durch die Osmanen.

Die griechische Regierung protestierte damals laut, denn für die Griechen und insbesondere die orthodoxen Christen ist das Gebäude noch immer ein kultureller Fixpunkt.

Über 900 Jahre lang eine Kirche

Die Hagia Sophia wurde 537 vom byzantinischen Kaiser Justinian erbaut. Bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 war sie das grösste Gebäude der Christenheit.

Als Basilika gebaut: Die Hagia Sophia. Die Minarette wurden später erstellt.
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Die Osmanen wandelten das beeindruckende Gebäude in eine Moschee um – das blieb sie 481 Jahre lang. Der säkulare Gründer der modernen Türkei, Kemal Atatürk (1881–1938), machte aus dem Gebäude 1935 schliesslich ein Museum.

In den letzten Jahren wurde der rötliche Kuppelbau zu einer Touristenattraktion, an der kein Istanbul-Besucher vorbeikommt. Die Moschee liegt gleich neben dem Topkapi-Palast in der historischen Altstadt auf der europäischen Seite Istanbuls.

Die Kuppelhöhe der Hagia Sophia beträgt 56 Meter.
Foto: Getty Images

Vor dem Einbruch des Tourismus im vergangenen Jahr besuchten über drei Millionen Urlauber jährlich die Hagia Sophia.

Erdogan auf Stimmenfang

Türkische Hardliner und Ultrareligiöse fordern seit langem die Rückwandlung in eine Moschee. Für manche Anhänger Erdogans wäre das nicht zuletzt ein Symbol für die «Wiederentstehung des Osmanischen Reiches». Die neue Türkei Erdogans soll über die säkulare Republik triumphieren.

Mit dem Akt am Freitag könnte sich der türkische Präsident die letzten notwendigen Stimmen sichern, die er für eine Verfassungsänderung braucht. Bisher deuten Umfragen auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. (phm)

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