Ermittlungen zu Russen-Krimi auch in der Schweiz
Ex-Aeroflot-Chef in London erwürgt aufgefunden

In einem Haus in London wurde die Leiche des ehemaligen Aeroflot-Chefs Nikolai Gluschkow gefunden. Gegen ihn hatten die Schweizer Behörden jahrelang wegen Millionen-Betrugs ermittelt. Wurde er Opfer des russischen Geheimdienstes?
Publiziert: 15.03.2018 um 08:41 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:29 Uhr
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Ständiger Gast im Gericht: Der ehemalige Aeroflot-Chef Nikolai Gluschkow im Jahr 2006 in Moskau.
Foto: Kommersant
Guido Felder

Die unheimliche Todes­serie in England geht weiter: Wenige Tage nach dem Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Agenten Sergej Skripal (66) und dessen Tochter Julia (33) ist am Montag in London der ehemalige Aeroflot-Chef Nikolai Gluschkow († 68) tot aufgefunden worden. Er hatte 2010 in England politisches Asyl erhalten.

Noch ist die Todesursache ungeklärt. Medien berichten aber, dass Gluschkow Strangulierungs-Spuren aufwies. War auch er Ziel des russischen Geheimdienstes, den die britische Regierung hinter dem Anschlag auf Skripal vermutet?

Firmen in der Schweiz

Gluschkow war den Schweizer Untersuchungsbehörden bestens bekannt. Auf Ersuchen der russischen Staatsanwaltschaft hatten sie jahrelang gegen Gluschkows Firmen ermittelt, die er mit seinem Kollegen, dem Oligarchen und Putin-Kritiker Boris Beresowski († 67), in der Schweiz gegründet hatte.

Die beiden sollen die Firmen Andava und Forus zwischen 1996 und 1999 benutzt haben, um Geld von der russischen Fluggesellschaft abzuzweigen und sich zu bereichern. 1999 flog die Sache auf.

Insgesamt sollen die Beschuldigten 939 Millionen Dollar in der Schweiz gebunkert haben, anstatt sie nach Russland zu überweisen und zu versteuern. Es soll sich um Zahlungen gehandelt haben, die der russischen Fluggesellschaft Aeroflot für die Abgeltung von Überflugrechten durch ausländische Fluggesellschaften zustanden.

Vor einem Jahr erhielt Gluschkow dafür die Quittung: Ein russisches Gericht verurteilte ihn in Abwesenheit wegen Veruntreuung zu acht Jahren Gefängnis.

Verfahren in der Schweiz eingestellt

In der Schweiz war das Dossier 2010 nach einem Urteil des Bundesstrafgerichts geschlossen worden. Ein eigenes Strafverfahren der Schweizer Bundesanwaltschaft gegen Beresowski verlief im Sand. Die Bundesanwaltschaft zu BLICK: «Ein Strafverfahren wegen Verdachts der Beteiligung an einer kriminellen Organisation sowie des Verdachts der Geldwäscherei wurde im Juni 2010 eingestellt.»

Hingegen wurde ein Berner Treuhänder, der für die Russen das Firmengeflecht aufgebaut hatte, wegen Gehilfenschaft zu ungetreuer Geschäftsführung zu einer bedingten Freiheitsstrafe und einer unbedingten Geldstrafe von 90 000 Franken verurteilt. Die Schweiz überwies 53 Millionen Franken, die eingefroren worden waren, an die russische Fluggesellschaft Aeroflot.

Todesfälle werden neu aufgerollt

2013 starb Beresowski unter mysteriösen Umständen: Er wurde in seinem zu einer Festung ausgebauten Haus im englischen Nobelort Ascot mit einem Schal um den Hals tot aufgefunden. Im Vordergrund stand Suizid durch Strangulation.

Nach dem jüngsten Giftanschlag vom 4. März, bei dem Sergej Skripal und seine Tochter schwer verletzt wurden, wollen die Briten nun Klarheit: Wo überall hatte der russische Geheimdienst seine Finger im Spiel?

Gluschkows Tod soll deshalb genauestens untersucht werden. Auch die Todesfälle von Beresowksi sowie weiteren 13 Personen, die in Verbindung zu Russland standen, werden neu auf­gerollt.

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