Französische Ermittler gingen am Sonntag wegen des mutmasslich dschihadistischen Hintergrunds des festgenommenen Angreifers von einem Attentatsversuch aus. Auch in Belgien wurde wegen Terrorismusverdachts ermittelt.
Nur durch das beherzte Eingreifen von mehreren Reisenden, die den schwer bewaffneten Marokkaner überwältigten, war im Thalys-Zug am Freitagabend wohl ein Blutbad verhindert worden.
Der 25-jährige Ayoub El Kahzani wurde in dem Schnellzug von zwei US-Soldaten, einem befreundeten US-Studenten und einem Briten niedergerungen, wobei der Marokkaner offenbar mit Schüssen sowie mit einem Teppichmesser zwei Passagiere verletzte. Der Angreifer, der in Brüssel in den Zug gestiegen war, war zudem mit einer Kalaschnikow und einer Pistole der Marke Luger bewaffnet.
Kampf mit Teppichmesser
Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, als der Täter mit dem Schnellfeuergewehr über der Schulter die Zugtoilette verliess, habe zunächst ein französischer Passagier ihn aufzuhalten versucht. Der Angreifer habe dabei mehrere Schüsse abgegeben, wobei ein französisch-amerikanischer Passagier an der Schulter getroffen wurde.
Anschliessend überwältigten die drei US-Bürger den Angreifer, den sie nach eigenen Angaben bewusstlos schlugen. Einer von ihnen wurde beim Kampf durch das Teppichmesser an der Hand verletzt.
Ein 62-jähriger Brite half dabei, den Angreifer zu überwältigen. «Ich weiss nicht, wieso er nicht schoss, aber ich glaube, seine Waffe klemmte», sagte er französischen Medien.
«Keine Schüsse abgegeben»
Die Anwältin des Marokkaners sagte am Sonntag, laut ihrem Mandanten habe es «keine Schüsse gegeben». Er sei nach eigener Aussage sofort überwältigt worden und die Kalaschnikow habe nicht funktioniert, sagte die Anwältin Sophie David dem französischen Sender BFM-TV. Sie hatte den Marokkaner nach seiner Festnahme kurzzeitig beraten.
Bei ersten Befragungen im Polizeigewahrsam durch Anti-Terror-Ermittler in Paris bestritt der Marokkaner zudem jegliche Anschlagsabsicht. Er gab an, die Waffen in einem «versteckten Koffer» in einem öffentlichen Park in der Nähe des Brüsseler Bahnhofs gefunden zu haben.
Dort habe er oft mit anderen Obdachlosen übernachtet. Mit den Waffen sei er dann in den Zug gestiegen um «die Reisenden zu erpressen», sagte die Anwältin weiter.
Als radikaler Islamist bekannt
Bei vier europäischen Geheimdiensten war der Mann hingegen als radikaler Islamist registriert. Der Mann lebte von 2007 bis 2014 in Spanien, zunächst in Madrid, dann im andalusischen Algeciras. Dort fiel er den Sicherheitsbehörden wegen Reden auf, in denen er den bewaffneten Kampf gegen Ungläubige propagierte.
Laut französischen Ermittlern lebte der junge Mann von Gelegenheitsjobs und kleineren Delikten, darunter Drogenhandel. Spanien meldete ihn an Frankreich, wo ein Sicherheitsvermerk angelegt wurde.
Zuletzt fiel er auf, als er am 10. Mai von Berlin aus in die Türkei flog. Laut spanischen Behörden reiste er von Frankreich aus auch nach Syrien, was der Marokkaner aber bestreitet.
Als Helden gefeiert
Die drei US-Bürger Alek Skarlatos (22), Anthony Sadler (23) und Spencer Stone, die den Angreifer überwältigt hatten, wurden als Helden gefeiert. Auch US-Präsident Barack Obama dankte ihnen. Frankreichs Präsident François Hollande will die Männer am Montag im Elysée-Palast empfangen.
An Bord des Thalys sass auch der französische Schauspieler Jean-Hugues Anglade. Der 60-Jährige erhob schwere Vorwürfe gegen das Bahnpersonal. Mehrere Mitarbeiter hätten sich in einem Gepäckwagen verschanzt und die übrigen Passagiere ausgesperrt. Die Thalys-Geschäftsführung wies die Anschuldigungen zurück.
In Belgien wurden wegen des Angriffs die Sicherheitsvorkehrungen für Züge und an Bahnhöfen verschärft. In den Thalys-Zügen patrouillierten zudem neu Polizisten. (bau/SDA)