Es ist ein gigantisches Drecksgeschäft. Ermias Ghermay (38) hat damit ein Vermögen gemacht. Tausende Flüchtlinge nahm der Äthiopier schon aus und schickte sie auf die gefährliche Reise über das Mittelmeer nach Europa.
Ghermay gilt als derzeit mächtigster Menschenhändler. Mit seiner Schlepperei kassierte er bisher rund 70 Millionen Franken, schreibt die katholische Zeitung «Avvenire». Er soll auch jene fatale Reise organisiert haben, bei der am 3. Oktober 2013 vor der italienischen Insel Lampedusa 366 Flüchtlinge ertranken. Das Schiff war wie alle Flüchtlingsboote völlig überladen.
Seit Anfang 2014 sind im Mittelmeer schätzungsweise 5000 Flüchtlinge gestorben. Unzählige von ihnen hat der Chef-Schlepper auf dem Gewissen.
Die europäischen Behörden wollen den Menschenschmugglern endlich das Handwerk legen und haben die Jagd intensiviert. Seit Januar 2014 hat allein die italienische Polizei gegen 900 von ihnen verhaftet. Die meisten Schlepper stammen aus Ägypten und Tunesien. Zusammen haben sie sich an etwa 270'000 Flüchtlingen bereichert, die für die Überfahrt jeweils bis 7000 Franken zahlen müssen.
Doch der dicke Fisch Ghermay ist der Polizei noch nicht ins Netz gegangen. Er operiert meistens in Libyen und wird per Phantombild gesucht. Die Polizei hört seine Telefonate ab, ist aber machtlos.
Nach dem Unglück vor Lampedusa sagte Ghermay zu einem «Geschäftspartner» über die Opfer zynisch: «Inschallah, dann sind sie nun bei Allah angekommen!»
Bis vor wenigen Monaten hatte Ghermay seinen Bruder auf Sizilien stationiert. Asghedom (40) wurde verhaftet, doch neue Schlepper sind gleich in die Bresche gesprungen. Ihnen wird ihre gewissenlose Arbeit nicht ausgehen: Allein an den Küsten Nordafrikas warten rund eine Million Menschen auf eine Gelegenheit, nach Europa überzusetzen.