«Elon Musk hat nicht 44 Milliarden US-Dollar für Twitter bezahlt», schreibt ein User, «sondern 44 Milliarden zur Rettung der Meinungsfreiheit.»
Bei X, wie Twitter umbenannt wurde, ist es manchmal wie auf der Autobahn. Man begegnet Leuten, die man lieber von hinten sieht. Es gibt sowohl die zivilisierten Gentlemen und die fachkundigen Ladys, als auch die Drängler, die Aggressiven, die es an Vernunft und Respekt fehlen lassen und die Strassenverkehrsordnung als unverbindliche Empfehlung betrachten. Dies ist jedoch kein Grund, die Autobahnen zu schliessen.
Auf X lassen sich durchaus Fakes von Fakten unterscheiden. Wer seine Quelle verschweigt, ist es nicht wert, gelesen zu werden. Frustrierte Loser, die ihren ganzen Hass und Neid auf eine Person abfeuern, sind es auch nicht wert. Und wenn jemand eine andere Meinung hat, hat er eben eine andere Meinung. Ist das so schlimm? Das Streben nach 100 Prozent Matchingpunkten ist der Wunsch von unreifen Teenagern und totalitären Geistern.
Nicht gegen Demokratie – gegen Zensur
User, die X mit einer Kotztüte verwechseln, sind ein Ärgernis. Elon Musk (53) hat vor wenigen Tagen reagiert und mitgeteilt, dass er die Sichtbarkeit jener Posts erhöhen wird, die Informationen und Unterhaltung verbreiten. Die User sollen mehr Minuten erleben, die sie anschliessend nicht bereuen (unregretted user minutes).
Seine Verteidigung der Meinungsfreiheit will er fortsetzen. Er hat mit X nicht der Demokratie den Kampf angesagt, sondern der Zensur. Dafür wird er vom deutschen Politestablishment angefeindet. Musk weiss, dass es kaum noch ungefilterte Informationen gibt. Selbst die KI nutzt ideologisch imprägnierte Algorithmen. Vom deutschen Staat bezahlte «Faktenchecker» überprüfen die Kompatibilität mit der gerade aktuellen politischen Correctness.
X ist das bessere Korrektiv: Als Politik und Medien sich über Musks «Einmischung in den Wahlkampf» entsetzten, wurden auf X umgehend Bilder der grünen Luisa Neubauer (28) gepostet, die für ein Selfie an amerikanischen Haustüren für Kamala Harris (60) missionierte. Man sah Bilder von Kanzler Olaf Scholz (66), der 2022 für Emmanuel Macron (47) warb und heute Einmischungen von Aussen kritisiert. Solche Bilder sah man nicht in den Mainstreammedien, sondern auf Twitter. Wer diese Heuchelei nicht mitbekam, fand Musks «Einmischung» skandalös. Was weiss der schon über Deutschland?
Die Folgen der AfD-Dämonisierung
Musk hat 5,8 Milliarden Dollar in seine Tesla-Gigafactory in Brandenburg investiert und 12'000 Arbeitsplätze geschaffen. Er weiss wahrscheinlich mehr über das metastasierende Bürokratiemonster Deutschland als die gesamte Regierung. Er weiss mehr über die Folgen der grünen Sabotagepolitik, weil er diese am eigenen Leib erfahren hat.
Wie verteidigt man eine gescheiterte Ideologie gegen die Unternehmerkoryphäe des 21. Jahrhunderts? Die Nazikeule ist morsch geworden, jetzt ist jede Kritik an der Regierung ein Angriff auf die Demokratie. Hat der Mann, der die Zensur bekämpft, die Demokratie angegriffen oder bloss die falsche Partei empfohlen? Musks Gegner verteidigen nicht die Demokratie, sondern ihr wichtigstes Anliegen: den Machterhalt.
Diese Scheinheiligkeit erzeugt den «Hau den Lukas»-Effekt. Je härter man auf den Jahrmärkten den Vorschlaghammer schwingt, desto höher steigt das Metallstück in der Schiene. Je mehr die AfD dämonisiert wurde, desto höher stieg sie in der Gunst der Wähler und ist mittlerweile zweitstärkste Partei.
«Meldestellen» und Petzportale für Denunzianten
Auch der Vertrauensverlust in Politik und Mainstreammedien hat ironischerweise neue Newsplattformen und politische Bewegungen entstehen lassen. Die traditionellen Parteien, die sich vom Volk und somit auch von der Realität abgekoppelt haben, sind im Panikmodus. Sie stehen Konkurrenten gegenüber, die sie selbst erschaffen haben.
Würden diese Parteien die Probleme von Kriminalität, Inflation und Migration unbedingt lösen wollen, könnten es aber nicht, dann wären sie unfähig. Könnten sie es und täten es trotzdem nicht, dann wären sie verantwortungslos. Ohne Zweifel gibt es in der AfD Extremisten, die auch in der eigenen Partei sehr unbeliebt sind, aber alle grossen Parteien haben an ihren Rändern ihre peinlichen Extremisten. Das ist auch in der Schweiz so. Mit dem Anwachsen einer Partei wuchert auch der Wildwuchs an den Rändern. Ob es Vielfalt oder Unkraut ist, sei dahingestellt.
Der deutsche Parteiadel ist mittlerweile fast nur noch mit sich selbst beschäftigt und versucht, seine Macht mittels Meinungsdiktatur aufrechtzuerhalten. Überall im Land spriessen «Meldestellen» und Petzportale für anonyme Denunzianten. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz zieht man die Schrauben nochmals an. Parodie gilt als Majestätsbeleidigung. Sofern es Rot-Grün trifft. Allein Wirtschaftsminister Robert Habeck (55) hat seit Amtsantritt über 800 Personen verklagt, die den kleinen Robespierre in seinem Herzen verspottet haben.
«Schwachkopf», «Nazi-Schlampe», «Märchenerzählerin»
Für einen 64 Jahre alten Mann, der den Wirtschaftsminister in einer satirischen Fotomontage als «Schwachkopf Professional» bezeichnet hatte, gabs umgehend eine Hausdurchsuchung. Die Bezeichnung von AfD-Chefin Alice Weidel (45) als «Nazi-Schlampe» stufte ein anderes Gericht hingegen als Satire ein. Während ein Bauingenieur die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (50), als «Märchenerzählerin» verspottete (und 30 Tage in Haft musste), wurden drei jugendliche Totschläger sogar von der U-Haft verschont. Ist man bereits rechts, wenn man das kritisiert? Oder gar ein Feind der Demokratie?
Habeck fordert nun staatliche Eingriffe in die Programmierung der Algorithmen, die in den sozialen Medien die Meinungsbildung steuern. Zur «Rettung der Demokratie». Rettet man die Demokratie, indem man ihr Fundament, die offene Debatte, unterbindet? Wird Anzeigenhauptmeister Deutschland zur DDR 2.0? Entscheiden neuerdings private Petzplattformen, ob jemand beruflich und finanziell geschädigt wird, obwohl er Dinge gepostet oder gelikt hat, die unter der Strafbarkeitsgrenze liegen?
«Die ganze Welt lacht über diese Clowns», sagt der Fondsmanager Marc Faber (78) dem «Deutschland-Kurier». Er ist geschockt über den rasanten Niedergang der deutschen Wirtschaft. Weltweit teilen die meisten die Analyse von Elon Musk, nicht aber seine Empfehlung der AfD. Man muss Musk nicht mögen, die Redefreiheit hingegen schon.
Musk interviewt Alice Weidel – ein Skandal?
Einige deutsche Medien fürchten die Konkurrenz von Elon Musk. Während «Spiegel» und «Stern» im dritten Quartal 2024 eine verkaufte Auflage von knapp einer Million und eine Reichweite von ca. 7,4 Millionen erreichten, verzeichnet Elon Musk auf X über 210 Millionen Follower. Jetzt interviewt er auch noch Alice Weidel. Ja und? Ist das schon wieder ein Skandal? Für Elmar Thevessen (57), Leiter des ZDF-Studios in Washington, sogar ein ganz grosser. Er sagt im ZDF, dass nur Journalisten und Journalistinnen Interviews führen dürfen.
Slow down. Jeder darf jeden interviewen. Ausser in totalitären Staaten. Die Leute haben die einseitige Berichterstattung satt, sie haben die pürierten Fakten satt, sie haben die Bestrafung von harmlosen Rentnern, die lediglich etwas gelikt haben, satt. Sie wollen informiert und nicht belehrt und umerzogen werden. Sie brauchen keine «Experten», die für sie «einordnen», weil man sie für Deppen hält. Sie wollen keine handverlesenen Puzzlestücke der täglichen News, sie wollen die vollständigen News. Denn halbe Fakten sind Fakes. Ähnlich wie bei der Ernährung schätzt man unverarbeitete Produkte.
Nachdem die Pandemie gezeigt hat, wie komfortabel das Durchregieren im Ausnahmezustand ist, gilt mittlerweile der Zynismus von Idi Amin: Ich garantiere die freie Rede, aber nicht die Freiheit nach der Rede. Meinungsfreiheit ist weltweit unter Beschuss geraten. Vom Uno-Migrationspakt über den WHO-Pakt für internationale Gesundheitsvorschriften bis hin zum Digital Service Act (DSA) der EU stehen die Zeichen auf Autoritarismus, die Vorstufe des Totalitarismus. Staatsrechtsprofessor Josef Franz Lindner warnt vor Meldestellen: «Wenn man später einmal den Niedergang der Meinungsfreiheit und den Einstieg in den Zensurstaat rekonstruieren will», werde dem Leitfaden zu den Trusted Flaggern (vertrauenswürdige Hinweisgeber) «die Rolle eines Schlüsseldokuments zukommen».
Meinungsvielfalt ist interessant, lehrreich, schmerzhaft
Elon Musk hat mit einem Satz die innerdeutsche Brandmauer niedergerissen. Plötzlich getrauen sich Leute, die der Mainstream entsorgt hatte, wieder öffentlich ihre Meinung zu sagen, weil es die Meinung des grössten unternehmerischen Genies der Gegenwart ist. Meinungsvielfalt ist für die Demokratie wichtig. Sie hilft, den eigenen Standpunkt zu überprüfen. Meinungsvielfalt ist interessant, lehrreich, manchmal schmerzhaft, manchmal witzig. Sie ist divers und bunt wie die Natur. Das muss man ertragen. Wie es George Orwell formulierte: Meinungsfreiheit bedeutet, Dinge zu sagen, die niemand hören will.
Der Schriftsteller Claude Cueni war langjähriger Blick-Kolumnist und lebt in Basel. Soeben erschienen die 6. deutschsprachige und 3. holländische Ausgabe seines internationalen Bestsellers «Das grosse Spiel».