Die Schlagzeile in einer thailändischen Lokalzeitung kam fast schon unspektakulär daher: Ein zur Verhaftung ausgeschriebener Schweizer sei im Hinterland von Chiang Mai im Norden Thailands festgesetzt worden. Der Vorwurf: versuchter Mord. Der 56-Jährige befindet sich seither in Ausschaffungshaft.
Doch BLICK-Recherchen bringen jetzt ans Licht: Beim Verhafteten handelt es sich um den Aargauer Roger U.* – der es als einer der wenigen Schweizer auf die Liste der meistgesuchten Verbrecher von Interpol geschafft hatte! Zum ersten Mal schrieb BLICK im Juni 2017 über den bizarren Fall. Schon damals war der 56-Jährige bereits auf der Flucht vor der Justiz.
Schweizer soll Frau aus Fenster geworfen haben
Alles nahm seinen Anfang rund 15'000 Kilometer entfernt vom Ort, wo der Bauarbeiter nun verhaftet wurde: In Canoa Quebrada an Brasiliens Küste, unweit der Touristenmetropole Fortaleza. 2004 soll U. hier seine damalige Partnerin Ana Julia de Sousa Rebelo (heute 45) verprügelt, vergewaltigt und nackt aus dem Fenster geworfen haben. Die Frau sitzt seit dem Vorfall im Rollstuhl. «Gott wird dich finden», sagte die Brasilianerin in einem Interview an die Adresse ihres Peinigers.
Während Interpol den Bauarbeiter weltweit zur Fahndung ausschreiben liess, fand BLICK den Gesuchten nach wenigen Tagen in Zofingen AG auf einem Parkplatz vor dem Elternhaus. Der Bauarbeiter bestritt die Vorwürfe seiner Ex. «Nein, ich habe sie sicher nicht angegriffen», sagte er. «Ich habe sie nie hart angefasst. Und schon gar nicht vergewaltigt.» In Wahrheit sei es beim Streit um Geld gegangen.
Nach Zeitungsbericht wird die Polizei aktiv
Bis dahin war U. gar nicht auf dem Radar der Schweizer Behörden. Denn alleine der Eintrag auf der Interpol-Liste ist kein Haftbefehl. Und offenbar hat es die Brasil-Justiz versäumt, mit den Schweizer Kollegen Kontakt aufzunehmen.
Nach dem BLICK-Bericht wurde die Schweizer Polizei damals dann doch aktiv, nahm Roger U. vorübergehend fest und eröffnete ein Verfahren. Doch den Behörden lief die Zeit davon. Weil man wichtige Akten aus Brasilien nicht erhielt, konnten die Ermittlungen noch nicht beginnen. Wie die «Aargauer Zeitung» damals schrieb, drohte die mutmassliche Tat zu verjähren. Roger U. kam also wieder auf freien Fuss. Und verliebte sich neu, diesmal in Südostasien.
Schon im Gespräch mit BLICK kündigte er damals an, nach Thailand zu seiner neuen Frau reisen zu wollen. Dass die internationale Fahndung nach ihm weiter bestand – und zu einem Problem werden könnte – ahnte er nicht. Mehrmals reist der Aargauer, der jeweils das halbe Jahr an der asiatischen Wärme verbrachte, problemlos nach Thailand und zurück. Bis am 22. Juli die Handschellen klickten.
Schweizer könnte nach Brasilen überstellt werden
Wie Fiona Strebel von der Oberstaatsanwaltschaft Aargau auf Anfrage schreibt, wird Roger U. sehr wahrscheinlich von Thailand direkt an die brasilianischen Behörden ausgeliefert. Hier könnte er dann auch angeklagt werden. Denn in Brasilien gelten andere, längere Verjährungsfristen als in der Schweiz.
Die Nachbarn von Roger U. und seinem Vater in Zofingen sind traurig über der Verhaftung. «Erst vor einem Monat habe ich ihn vor dem Haus getroffen. Er telefonierte gerade mit seiner Frau. Er wirkte so glücklich und entspannt», sagt ein Nachbar. Die glücklichen Zeiten dürften nun vorbei sein. Für immer?
* Name bekannt