Er quälte, manipulierte und vertuschte
So tickt der Folterknecht von Höxter

Wilfried W. quälte und terrorisierte Frauen – und machte sie zu Komplizinnen. Doch wie ist er dabei vorgegangen? Ein Blick in die Welt des verführerischen Sadisten.
Publiziert: 04.05.2016 um 20:09 Uhr
|
Aktualisiert: 05.10.2018 um 14:51 Uhr
In diesem Haus wurden mehrere Frauen gefangen gehalten und gequält.
Foto: zvg

Wilfried W. (46) hat Frauen gefangen gehalten. Sie verprügelt. Psychisch terrorisiert. Ihnen büschelweise Haare ausgerissen. Sie wegen Kleinigkeiten misshandelt. Zwei Frauen zu Tode gefoltert. Und das alles in Zusammenarbeit mit seiner Partnerin (BLICK berichtete).

Wer liest, was W. im Horror-Haus von Höxter (D) seinen Opfern angetan hat, fragt sich unweigerlich: Wer ist zu so etwas fähig? Was ist das für ein Mensch?

Wilfried W. soll planmässig vorgegangen sein

Wilfried W. (46).
Foto: Facebook

Die bisherigen Erkenntnisse lassen einen Schluss zu: Der Hartz-IV-Empfänger ist ein kaltblütiger Sadist, der Frauen quälte, um Macht auszuüben – Sex spielte keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Wilfried W. handelte nicht im Affekt, sondern ging stets planmässig und organisiert vor.

Behörden und Verwandte der Opfer täuschte er geschickt, um seine Schreckensherrschaft aufrechtzuerhalten. Er spannte willensschwache Frauen für seine Quälereien ein – die er aber ebenso misshandelte.

Seine Opfer suchte Wilfried W. auf verschiedenen Wegen – doch in erster Linie mit Kontaktanzeigen. In ganz Deutschland, in Tschechien und natürlich im Internet hat er Annoncen geschaltet, um Frauen zu sich zu locken. Was folgte, waren lange Telefongespräche oder E-Mail-Konversationen. Bis er jemanden an der Angel hatte.

Dann ging es jeweils blitzschnell. Offenbar verstand es Wilfried W. gekonnt, die Frauen von sich zu überzeugen: Sein jüngstes Opfer Susanne F. lernte er Anfang 2016 über eine Kontaktanzeige kennen – bereits im März zog sie bei ihm ein. Annika W., das zweite bekannte Todesopfer, lernte er im Sommer 2013 kennen. Im Herbst des selben Jahres heiratete er sie. 1994 lernte der damals 24-Jährige seine erste Frau kennen. Über eine Annonce. Die Hochzeit folgte kurz darauf.

Darum halfen ihm die Mittäterinnen

Zu den Machtgelüsten des Winfried W. gehörte offenbar auch, andere Frauen für seine Sache einzuspannen. Seine erste Frau folterte er zusammen mit einer Geliebten, die in die gemeinsame Wohnung einzog. Im Horror-Haus in Höxter hatte er die geständige Mittäterin Angelika B. zur Seite. Wie sie der Polizei erzählt, habe sie die meisten Misshandlungen ausgeführt – auf seinen Befehl hin. Sie selbst, die ihm nach eigenen Angaben hörig war, sei auch von Wilfried W. geschlagen worden. So bizarr es klingt: Die Mittäterinnen waren ebenfalls Opfer von Wilfried W.

Warum lassen sich Frauen für so etwas einspannen? Der erfahrene Gerichtspsychiater Reinhard Haller hat eine Erklärung. Im Interview mit der «Welt» sagt er: «Indem sie dabei helfen, eine Situation zu inszenieren, in der eine Frau an ihrer Stelle gequält wird, stellen sie sich auf die übermächtige Täterseite. So überwinden sie ihre eigene Angst.» Auch würden sie den Mann dadurch an sich binden, dass sie sein Geheimnis teilen.

Es scheint klar: Wilfried W. übte eine grosse psychische Macht über die Frauen aus. Im Haus gab es keinen Raum, in dem die Opfer eingesperrt waren. Sie lebten zusammen mit ihren Peinigern. Auch gingen sie ab und zu mit ihnen aus dem Haus, zum Beispiel zum Einkaufen. Dennoch trauten sie sich nicht, zu türmen.

Gerichtspsychiater Haller vergleicht den Fall mit Natascha Kampusch, die über Jahre gefangen gehalten wurde und nicht flüchtete, obwohl sie mehrmals die Gelegenheit dazu hatte: «Sie hat es aber nicht geschafft, weil sie sich einerseits mit ihrem Entführer identifizierte und sie andererseits Angst vor ihm hatte.»

So organisiert ging der Täter vor

Als Wilfried W. sein letztes Opfer loswerden will, kommt es zu einer Autopanne. Offenbar mit der Situation überfordert, alarmiert er den Notruf. So fliegt die ganze Geschichte auf. Doch diese Episode ist eine Ausnahme. Zuvor handelte Wilfried W. stets besonnen und verhinderte so, dass man ihm auf die Schliche kam.

Dieses Verhalten ist gemäss Haller typisch für Serienmörder. «Sie planen jeden Schritt im Voraus und sind deshalb schwer zu fassen», so der Gerichtspsychiater. Solche Menschen leiden oft unter Verfolgungswahn. Mit ihren Taten wollen sie meist Minderwertigkeitskomplexe kompensieren, ohne Rücksicht: «Sie halten sich an keine Gesetze, sie schaffen sich ihre eigenen.»

Wie akribisch Wilfried W. vorging, zeigen folgende Beispiele:

  • Annika W., sein Opfer von 2014, hat er auf dem Einwohnermeldeamt von Höxter offiziell an- und nach ihrem Tod wieder abgemeldet.
  • Ihre Leiche lagerte er im Tiefkühler, so verbreitete sich kein Verwesungsgeruch. Danach verbrannte er sie im Kamin und verstreute ihre Asche auf der Strasse. Niemand kam ihm auf die Spur. 
  • Der Mutter des jüngsten Opfers schickte seine Komplizin Angelika B. zwei Wochen vor ihrem Tod falsche SMS vom Handy des Opfers. Deshalb wurde die Frau nicht als vermisst gemeldet. 
  • Wilfried W. und Annika B. liessen sich scheiden – aus finanziellen Gründen, wie die Ermittler sagen. Die beiden bleiben eng verbunden, wohnen zusammen und geben sich als Geschwisterpaar aus.

Von zwei toten Frauen wissen wir – das ganze Ausmass von Wilfried W.'s Wirken ist jedoch noch nicht bekannt. Es habe weitere Opfer gegeben, die die Tortur überlebt haben, so die Ermittler. Eine Frau aus dem Grossraum Berlin habe das Haus in den Medien erkannt und sich darauf bei der Polizei gemeldet. Sie und weitere mutmassliche Opfer werden zurzeit vernommen.

Auch, dass Wilfried W. weitere Menschenleben auf dem Gewissen hat, schliessen die Ermittler nicht aus. Sie versuchen unter anderem herauszufinden, ob er hinter dem ungelösten Mord an Frauke Liebs stecken könnte. Die 21-Jährige war im Juni 2006 nach einem Kneipenbesuch spurlos aus dem nahe gelegenen Paderborn verschwunden. Mehrere Tage lang meldete sie sich mit wirren SMS und Telefonaten, dann herrschte Funkstille. Drei Monate später fand man ihre Leiche. (rey)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?