Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (65) ist zurzeit recht dünnhäutig. Bei den Kommunalwahlen vom 31. März hat die Opposition in vier Grossstädten gegen seine Partei AKP gewonnen.
Auch in der Wirtschaftsmetropole Istanbul erlitt er eine Niederlage – die er aber nicht anerkennt und daher anficht. Denn in der Türkei gilt: Wer Istanbul regiert, regiert das ganze Land.
Trotz der laufenden Beschwerde Erdogans liess sich der Bürgermeisterkandidat der kemalistischen CHP, Ekrem Imamoglu (48), am Samstag im Fussballstadion als Gewinner feiern. Tausende Besiktas-Fans skandierten beim Spiel gegen Erdogans Lieblingsverein Basaksehir unaufhörlich: «Gebt ihm die Ernennungsurkunde!» Damit forderten sie, dass Imamoglu als Sieger anerkennt werden soll.
Aus dem Bett geholt
Für mindestens einen der Fans endete die Jubelfeier mit einem Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung. Der prominente Wirtschaftswissenschaftler Mustafa Sönmez wurde am Sonntagmorgen in Istanbul festgenommen, wie die deutsche «Bild»-Zeitung schreibt. Die Polizei kam um vier Uhr, holte ihn aus dem Bett und hielt ihn zwölf Stunden lang fest.
Sönmez wurde zum Verhängnis, dass er die Jubelfeier auf Twitter veröffentlicht hatte. Im Video ist zu sehen, wie er und andere Besiktas-Anhänger sich mit Bier zuprosten und rufen: «Auf dich Tayyip! Auf dich Tayyip!»
AKP bringt drei Koffern voller «Beweise»
Erdogan und seine Partei sind so verärgert über den Wahlausgang in Istanbul, dass sie die Wahl jetzt komplett wiederholen lassen wollen. Am Mittwoch stellte die AKP einen entsprechenden Antrag bei der Hohen Wahlkommission (YSK) in Ankara.
Die AKP nutzt nach eigenen Angaben eine «ausserordentliche Beschwerde». Diese kann laut Gesetz eingelegt werden, wenn es Vorfälle gegeben hat, die das Wahlergebnis beeinflussen. Erdogan und seine Partei sind der Meinung, dass die Abstimmung in Istanbul regelwidrig ablief. Nach eigenen Angaben hat Partei drei Koffer mit Dokumenten zur Wahlbehörde gebracht, um Unstimmigkeiten zu beweisen. (gf)