«Er ist wieder da»
Darf man über Hitler lachen?

Darf ich Sie umarmen? Schüchtern fragt die junge Frau in Berlin, die Deutschlandflagge als Cape. Es ist WM 2014 und Deutschland gewinnt. Die Frage ist unschuldig. Doch die Bitte gilt: Adolf Hitler.
Publiziert: 07.10.2015 um 13:59 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 13:58 Uhr
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Adolf Hitler (Oliver Masucci) erwacht im Berlin von 2014 – und findet sich überhaupt nicht zurecht.
Von Adrian Meyer

Es ist eine Szene aus der Hitler-Satire «Er ist wieder da», die ab morgen in den Kinos läuft. Sie ist real. Denn der Film arbeitet auf zwei Ebenen: auf einer fiktiven und einer dokumentarischen.

Zum einen verfilmt David Wnendt (38) den gleichnamigen Bestseller von Autor Timur Vermes (48). Darin erwacht Hitler nach 69 Jahren im Berlin von 2014. Anstatt der Nazi-Hauptstadt Germania findet er eine bunte Republik, in der er sich nicht zurechtfindet. Die Leute aber halten ihn für einen grossartigen Hitler-Imitator – und hören ihm gerne zu. Dank TV-Auftritten und seiner Popularität plant Hitler erneut die Machtergreifung.

Situationskomischer Klamauk ist dieser fiktive Teil, wie die Buchvorlage. Interessant, erschreckend ist der Film dort, wo Fiktion auf reale Menschen trifft: Mit zwei Handkameras begleitet Regisseur Wnendt den als Hitler verkleideten Schauspieler Oliver Masucci (47) wochenlang durchs Land. Die Hitlerfigur stösst aber nicht auf Ablehnung. Die Menschen strecken zum Hitlergruss, bejubeln ihn, wollen ihn umarmen.

Darf man über Hitler lachen? Eigentlich hat sich die Frage seit Charlie Chaplins Parodie «Der grosse Diktator» von 1940 erübrigt. In Deutschland macht man sich spätestens seit Walter Moers’ 90er-Jahre-Comics von «Adolf, der Nazi-Sau» wieder über den Führer lustig. Spott und Satire entlarven das Böse, rauben ihm den Mythos. Lachen befreit.

Sicher darf man über Hitler lachen. Viel schwieriger ist die Nachfrage: «Soll man?» Hier setzt Wnendts Film an. Denn darin lachen wir nicht nur über Hitler, sondern mit ihm: Über das heutige Deutschland. Über ein Land, das sich ständig hinterfragt, das oszilliert zwischen Solidarität mit Flüchtlingen und brennenden Asylheimen.

Der Kino-Hitler entlockt Menschen im dokumentarischen Teil Sätze, die sie sonst für sich behalten würden. Und bringt einige dazu, einen als Punk verkleideten Schauspieler zu verprügeln.

70 Jahre nach seinem Selbstmord verführt Hitler immer noch. Deutschlands Verhältnis zum Führer bleibt seltsam: Unzählig sind die Dokus über seine Person. Magazinmacher wissen: Hitler auf dem Titel verkauft sich gut. Die mediale Bewirtschaftung des Mythos, das Hitlertainment und der Boom an Parodien haben dafür gesorgt, dass Hitler, die Witzfigur, sich gelöst hat vom realen Hitler, dem Massenmörder. Dass viele ihn nur noch ironisch betrachten.

Verdrängt das KZ, wer über Hitlers Skurrilitäten lacht? «Wenn wir nur über ihn lachen», schreibt der Münchner Historiker Andreas Wirsching (56), «dann fallen wir erneut auf ihn herein.» Oder wie es der Bayerische Rundfunk treffend sagt: «Vielleicht ist es nach Jahrzehnten voller Ironie einfach mal wieder an der Zeit, Adolf Scheisse zu finden. Ganz unironisch.»

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