Es war die erste offizielle Veranstaltung für die umstrittene WM 2018 in Russland: Über 100 Nationen übertrugen am vergangenen Samstag die Auslosung der Qualifikationsgruppen im Konstantinpalast in St. Petersburg.
Einmal mehr war die Welt zu Gast in Putins Wohnzimmer. Und Sepp Blatter wurde dabei endlich wieder einmal mit offenen Armen empfangen. Während der Fifa-Präsident im Westen ein katastrophal schlechtes Image hat, ist der 79-Jährige in Russland ein gern gesehener Gast.
Sepp Blatter und der russische Präsident Wladimir Putin verstehen sich bestens, präsentieren sich gerne als dicke Freunde. Immer wieder hatten sie sich in der Vergangenheit gegenseitig Honig ums Maul geschmiert. Jüngstes Beispiel: Putins Vorschlag, Blatter für einen Nobelpreis zu nominieren.
Zuvor hatte Blatter bei seinem Besuch in St. Petersburg beteuert, er habe in seinen 40 Jahren bei der Fifa noch keine so gute Vorbereitung gesehen. «Wenn ich es mit Brasilien zur gleichen Zeit vergleiche, würde ich nicht sagen, dass es wie Himmel und Hölle ist, weil ich nicht glaube, dass die Hölle existiert. Aber ich denke, wir erleben hier einen anderen Himmel», sagte er.
USA als gemeinsamen Feind
Wieso verstehen sich die beiden Präsidenten so gut? Es sei eine seltsame Allianz, schrieb der «Tages-Anzeiger» kürzlich, überraschend sei sie jedoch nicht.
Beide sind fast gleich lang an der Macht: Blatter (79) wurde 1998 Fifa-Präsident, Putin (62) ist seit 1999 abwechselnd entweder Ministerpräsident oder Präsident Russlands. Während es Blatter zu seiner Mission gemacht hat, den Fussball in jede noch so abgelegene Ecke des Erdballs zu tragen, sucht Putin in der Welt nach Anerkennung. Der grosse Rivale der beiden: die USA.
Nachdem Ende Mai Schweizer Polizisten in Zürich auf Antrag einer New Yorker Staatsanwältin sieben Angehörige des Fifa-Vorstands aus dem Hotel Baur au Lac abgeführt hatten, wetterte Putin gegen das Vorgehen der USA und tat die Festnahmen als unberechtigt ab.
Als Blatter zwei Tage später dann doch noch in seine fünfte Amtszeit gehievt wurde, verkündete Putin über seinen Chefpropagandisten Dmitri Kisseljow im Sender Rossija triumphierend: «Die grösste Spezialoperation der amerikanischen Geheimdienste in der jüngsten Zeit ist krachend gescheitert». Russland habe die Welt vor einem weiteren von den USA inszenierten Coup bewahrt.
Dass das mit den USA verbündete Katar viel stärker gefährdet ist, infolge der Ermittlungen seine WM 2022 zu verlieren – Nebensache.
Aufstieg zur Sport-Grossmacht dank Blatter
Im russischen Präsidenten hat Blatter wohl seinen mächtigsten Verteidiger gefunden. Im Gegenzug ist das Fifa-Oberhaupt für Putin nicht von geringerer Bedeutung. Denn der Aufstieg Russlands zur Sport-Grossmacht ist nicht etwa Zufall, sondern Kalkül – und hier spielte Blatter mit der Vergabe der WM 2018 eine Schlüsselrolle.
Dass Russland den Zuschlag für die Weltmeisterschaft auch sicher erhält, dafür hat Putin seinerzeit gesorgt. Er machte Blatter im April 2010 – damals noch als Ministerpräsident - ein Angebot, dass alle anderen Bewerber in den Schatten stellte: Ein Garantiepaket, das die Organisation von nahezu allen Pflichten entbindet und Russland alle Risiken übernehmen lässt.
So wird während der WM in Russland nicht nur die Fifa von der Steuer befreit sein, das Privileg gilt auch für alle ihre Mitarbeiter und Unterorganisationen sowie beteiligte Firmen und deren Mitarbeiter. Auch Zölle werden aufgehoben. Ausserdem darf jede beliebige Summe in jeder Währung ins Land ein- und ausgeführt werden, ohne sie deklarieren zu müssen – ein Paradies für Geldwäscherei.
Dieser Coup Putins ist bezeichnend für die vermeintliche Freundschaft mit Blatter. Sie funktioniert ganz getrost dem Motto: Eine Hand wäscht die andere. (gr)