Ein Artikel in der «Washington Post» sorgt für Aufsehen. US-Diplomaten sollen zwei Jahre vor dem Ausbruch des neuartigen Coronavirus die Regierung in Washington vor einem Forschungslabor in Wuhan gewarnt haben – dem Epizentrum der Corona-Seuche. Laut dem Artikel, der sich auf Diplomatenberichte beruft, sollen die Amerikaner im Jahr 2018 das «Wuhan Institute for Virology» (WHI) besucht haben. Und was sie dort zu Gesicht bekamen, hat sie zutiefst besorgt.
Die Chinesen erforschten damals Corona-Viren bei Fledermäusen – und ihre mögliche Übertragung auf den Menschen! Das zumindest teilten die amerikanischen Diplomaten Washington mit. Zurück auf der Botschaft in Peking formulierten sie laut dem Artikel zwei Berichte, die als sensibel, nicht aber als geheim eingestuft wurden. Die Beamten warnten demnach vor Sicherheits- und Managementschwächen im Wuhan-Labor und schlugen der Administration von US-Präsident Donald Trump (73) vor, Hilfe zu schicken.
Pikant: Der erste Diplomaten-Bericht soll explizit vor einer Corona-Pandemie gewarnt haben! Konkret schreibt «Washington Post»-Journalist Josh Rogin, dass die Beamten alarmiert waren, «dass die Arbeit des Labors an Corona-Viren bei Fledermäusen und deren mögliche Übertragung auf den Menschen das Risiko einer SARS-ähnlichen Pandemie» darstelle. Das habe man Washington auch so mitgeteilt.
Seltsam mutet an, dass das Wuhan-Labor einen Bericht löschte, in dem der Besuch einer US-Delegation im März 2018 erwähnt wurde. Im Internet könne man den Artikel weiterhin finden, schreibt «Washington Post»-Journalist Rogin in seinem Artikel, der in der Meinungsspalte publiziert wurde. Der Wahrheitsgehalt seiner Angaben betreffend der Diplomaten-Berichte wurde mittlerweile von anderen US-Medien verfiziert.
Was die Wissenschaft sagt
Die These der renommierten Zeitung spaltet die Welt. Die aktuelle Wissenschaft unterstützt sie nämlich nicht. Ein Artikel des Magazins «Nature» vom 17. März kam zum finalen Schluss: «Es ist unwahrscheinlich, dass SARS-CoV-2 durch Labormanipulation eines verwandten SARS-CoV-ähnlichen Coronavirus entstanden ist.» Dementsprechend hart wurde Autor Josh Rogin im Netz auch angegriffen.
Der Journalist selber weist in seinem Artikel daraufhin, dass die Diplomaten-Berichte «keine Beweise» für eine Labor-Pandemie seien. Die grosse Mehrheit der Wissenschaftler seien sich einig, dass Covid-19 von Tieren stamme. «Aber das ist nicht dasselbe, wie zu sagen, dass es definitiv nicht aus dem Labor kam, das jahrelang Fledermaus-Coronaviren an Tieren getestet hat», sagt Xiao Qiang von der University of California gegenüber der Zeitung.
«Man flehte die Leute an, darauf zu achten, was vor sich geht»
Der Artikel zitiert Quellen aus der amerikanischen Regierung. Ein Beamter erklärt, dass die Berichte dazu gedacht waren, «Alarm über die schwerwiegenden Sicherheitsbedenken im Wuhan-Labor zu schlagen, insbesondere im Hinblick auf die Arbeit mit Fledermaus-Coronaviren.» Man habe mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung für dieses Labor gefordert. «Die Berichte waren ein Warnschuss. Man flehte die Leute an, darauf zu achten, was vor sich geht.»
Die Regierung um Donald Trump schaute jedoch tatenlos zu. Washington habe als Reaktion auf die alarmierende Berichte im Jahr 2018 keine zusätzliche Unterstützung gewährt. Aufgrund der Corona-Pandemie zirkulieren die Berichte der besorgten US-Diplomaten in Peking nun aber wieder im amerikanischen Aussenministerium, so die «Washington Post». Die Diskussionen in der US-Hauptstadt: Könnte das Wuhan-Labor tatsächlich der Ursprung der Pandemie sein? Und was müsste man gegen China unternehmen?
Dass Donald Trump und seine enge Vertrauten mittlerweile das Wuhan-Labor hinter der Corona-Pandemie vermuten, ist in Washington kein Geheimnis mehr. Der «New York Times» zufolge haben die US-Geheimdienste bislang jedoch keine Beweise vorgelegt, um dies zu bestätigen. «Ein hochrangiger Verwaltungsbeamter sagte mir, dass die Berichte einen weiteren Beweis dafür liefern, dass die Pandemie möglicherweise das Ergebnis eines Laborunfalls in Wuhan ist», konstatiert «Washington Post»-Journalist Josh Rogin.
Chinas Mangel an Transparenz
Klar ist: China bleibt viele Antworten zum neuartigen Coronavirus schuldig. In der vergangenen Woche hat Präsident Xi Jinping (66) strenge Beschränkungen für die Veröffentlichung von akademischer Forschung im Zusammenhang mit dem Ursprung des Coronavirus erlassen. Wie die «Washington Post» feststellt, will seine Regierung nicht einmal grundlegende Fragen zu diesem Thema beantworten und hat versucht, Untersuchungen über die mögliche Beteiligung des Wuhan-Labors zu unterdrücken.
Bis zum heutigen Tag haben keine ausländische Experten Proben des neuartigen Coronavirus aus den frühesten Fällen erhalten. Ein Labor in Schanghai, das das Virus-Genom im Januar veröffentlichte, wurde laut der US-Zeitung von den Behörden rasch geschlossen.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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