Gespannt starren die «Mütter von Srebrenica» auf die Grossleinwand. Von ihrer Heimat aus verfolgen die Frauen die Live-Übertragung aus dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Dann, um 12 Uhr, fällt der Richterspruch.
«Wegen seiner Schuld an den genannten Verbrechen verurteilt die Kammer Herrn Ratko Mladic zu lebenslänglicher Haft», sagt Alphons Orie, Richter des UN-Kriegsverbrechertribunals. In zehn von elf Anklagepunkten werde Ratko Mladic schuldig gesprochen. Der «Schlächter vom Balkan» wandert hinter Gitter. Für immer.
Über 8000 Männer liess Ratko Mladic in Srebrenica hinrichten
Jubel bricht aus. Die Frauen liegen sich in den Armen, heben ihre Hände gen Himmel, danken Gott. «Möge er den Schlächter lange leben lassen», ruft eine Mutter, «damit er seine Familie überlebt, damit er spürt, wie es ist, allein zu bleiben.» Allein sind auch sie geblieben. Die bosnischen Frauen verloren im Juli 1995 ihre Ehemänner, Söhne und Brüder.
Über 8000 Männer liess General Ratko Mladic (74) in nur wenigen Tagen hinrichten. Ihre Körper wurden verscharrt. Seine Opfer waren Muslime im Altern zwischen 13 und 78 Jahren. Das Massaker von Srebrenica gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen Europas seit Ende des Zweiten Weltkriegs. 22 Jahre blieb der Völkermord ungesühnt. Bis heute.
«Es ist ein Sieg der internationalen Justiz»
Im fernen Tessin jubelt auch Carla Del Ponte (70) mit den «Müttern von Srebrenica»: «Endlich, endlich ist der wichtigste Kriegsverbrecher des Bosnien-Krieges verurteilt. Es ist ein Sieg der internationalen Justiz und eine Genugtuung für die Opfer, auch wenn ihre toten Angehörigen damit nicht zurückkehren. Doch es lindert ihr Bedürfnis nach Vergeltung.»
Fünf Jahre lang jagte die Tessinerin als Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals Ratko Mladic. Vergeblich. In ihrer Amtszeit von 1999 bis 2007 gelang ihr zwar die Verhaftung des serbischen Ex-Diktators Slobodan Milosevic. Doch Mladic ging ihr wiederholt durch die Lappen. «Wir hatten ihn immer wieder aufgespürt. Er war in Belgrad. Doch die damalige Regierung Serbiens lieferte ihn uns nicht aus», sagt Carla Del Ponte.
Erst 2011 erfolgt die Festnahme. Dann die Anklage. Schliesslich das Urteil. Und nun: endlich Gerechtigkeit für die «Mütter von Srebrenica».