Der deutsche Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (SPD) hält die niedrigen Corona-Fallzahlen auf Mallorca für geschönt. Alles, damit die Touristen wieder auf die Mittelmeer-Insel kämen.
Mallorca habe bestritten, dass es die besonders ansteckende Corona-Variante P1 auf der Insel gebe – «ich glaube das übrigens nicht, also ich glaube, dass dort P1 ist», sagte der Mediziner am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner». «Da wird auch noch getrickst, ich glaube da kein Wort. Ich glaube, dass die mittlerweile längst P1 haben. Und ich glaube auch den Fallzahlen nicht.»
Auf Mallorca ist man ob der Aussagen empört. «Wir sind hier nicht in einer Bananenrepublik, sondern in einem ernsthaft und professionell geführten Land», sagte der renommierte Gesundheitsexperte Joan Carles March am Freitag der «Mallorca Zeitung». Antoni Oliver, Chefbiologe des Landeskrankenhauses Son Espases in Palma, in dem die Virenproben der Balearen analysiert werden, meinte: «Fakten sind Fakten, das ist schon empörend, wenn sie anders dargestellt werden.»
Merkwürdige Erklärung zur Brasilien-Variante P1
Die Uni-Klinik Son Espases der Insel hatte schon am Dienstag die auch in Deutschland kursierenden Berichte dementiert, es sei P1 auf Mallorca diagnostiziert worden. «Wir haben die Variante B.1.1.28 gefunden. Die gefährliche Variante (aus Brasilien) ist die B.1.1.28.1, auch als P1 bezeichnet», sagte der Sprecher der Klinik, Juan Carlos González der Deutschen Presse-Agentur.
Gesundheitsexperte March zeigte Verständnis für die Aufregung in Deutschland. Er könne nachvollziehen, dass dort gerade die Nerven blanklägen, nicht zuletzt wegen der hohen Corona-Werte, sagte er der «Mallorca Zeitung». «Trotzdem sollte man versuchen, diese Themen rational zu betrachten», mahnte er. Das gelte auch für den Vorwurf Lauterbachs, die niedrigen Corona-Zahlen seien nicht glaubhaft.
Deutlich bessere Werte als Deutschland
Das Gesundheitsministerium in Madrid gab die Zahl der Neuinfektionen je 100'000 Einwohner binnen sieben Tagen für die Balearen am Donnerstagabend mit 29,32 an, ein leichter Rückgang im Vergleich zu Mittwoch.
«Die Balearen gehören spanienweit zu den Regionen, bei denen die Nachverfolgung der Infektionsketten und die Analyse der Daten am besten funktioniert», sagte March. Die Zahl der Neuinfektionen je 100'000 Einwohner binnen 7 Tagen verharrt auf den Balearen derzeit bei etwa 30. Zum Vergleich: In Deutschland steigt dieser Wert zurzeit täglich und lag am Freitag laut Robert Koch-Institut bei 119.
Zahlen steigen – Regeln verschärft
Der niedrigste Stand bei dieser Sieben-Tage-Inzidenz war seit Jahresbeginn am 18. März gemessen worden, nämlich 18,79. Seither stieg der Wert täglich bis auf 30,80 am Mittwoch.
In Anbetracht der steigenden Fallzahlen reagierten die Inselpolitiker auf die bedenkliche Entwicklung: Sie verschärften die Corona-Regeln. So müssen ab heute Freitag an die Innenbereiche von Kneipen, Cafés und Restaurants wieder schliessen. Die Aussenterrassen und Biergärten bleiben derzeit noch geöffnet, aber wie bisher nur bis 17 Uhr.
Auch in den Hotels gelten schärfere Regeln: Schwimmbäder, Spas, Jacuzzis oder Fitnessräume müssen schliessen. Gemeinschaftlich genutzte Aussenanlagen wie Pools oder hoteleigene Restaurantterrassen sind nur noch bis 17 Uhr auf.
Auf den Balearen leben knapp 1,2 Millionen Menschen, davon mehr als 900 000 auf Mallorca. (SDA/vof)