Rückblick auf die Tragödie von Genua
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Unglück der Morandi-Brücke:Rückblick auf die Tragödie von Genua

Empa-Bericht sorgt für neues Entsetzen in Genua
Was haben Jute und Sand in der Todesbrücke verloren?

Die Gutachter der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) in Dübendorf ZH entdeckten merkwürdige Fremdkörper im Brückenteil 132.
Publiziert: 11.02.2019 um 07:27 Uhr
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Aktualisiert: 17.03.2021 um 19:11 Uhr
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Am 9. Februar 2019 begann der Abriss der am 14. August 2018 kollabierten Morandi-Brücke in Genua (I).
Foto: Keystone
Myrte Müller

Während in Genua (I) feierlich das erste Teilstück der Todesbrücke demontiert wird, kommen immer mehr Einzelheiten aus dem Gutachten der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf ZH ans Tageslicht.

Das Team um Korrosionsexperte Bernhard Elsener (66), CVP-Gemeindepräsident von Rüschlikon ZH, hatte im Auftrag der italienischen Justiz einige Brückenteile unter die Lupe genommen, darunter das Trümmerteil 132. Es handelt sich um einen rund 3,5 auf 3,5 Meter grossen Zuganker aus Beton aus dem gebrochene, verrostete Metallstäbe herausragen.

Im Gutachten des Schweizers sei die Rede von Fremdkörpern, die sich im Material um die Spannseile befunden hätten, berichtet die italienische Zeitung «Il Secolo XIX». So seien dem Beton offensichtlich Jute und Sand beigemengt worden! Die Spannseile seien stark erodiert gewesen.

Spannseile nicht schuld am Brückeneinsturz

Die verrosteten Stahlseile aber seien offenbar nicht ausschlaggebend gewesen für den Kollaps der Morandi-Brücke, berichtet «Sole 24 Ore». Eine Meinung, die auch die Inspektoren des italienischen Verkehrsministeriums teilten. Auch wenn – wie die Zürcher Gutachter beschreiben – eine 50-prozentige Erosion beim Material festgestellt werden konnte, hätten die Spannseile noch standhalten können. Das sagt Giuseppe Mancini, Gutachter der Brückenbetreiberin Autostrade per l'Italia (Aspi).

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Ein Lastwagenfahrer konnte in letzter Sekunde bremsen.
Foto: Reuters

In einem sind sich viele Experten einig: Der Einsturz sei wegen der vielen baulichen Mängel an der Spannbetonbrücke vorhersehbar gewesen. Eine korrekte Wartung und schnellere Sanierungsentscheidungen hätten die Katastrophe vom 14. August 2018 verhindern können.

Beim Einsturz der Morandi-Brücke kamen 43 Menschen ums Leben, darunter vier Kinder. Neun Opfer wurden verletzt und über 600 Anwohner mussten in der Folge ihre Häuser räumen. Die italienische Justiz ermittelt gegen zwei Dutzend Beschuldigte und gegen die Betreiberfirma Aspi.

Genua versucht einen Neuanfang

Auch die Ermittlungen um die Ursache des Brückeneinsturzes gehen weiter. Währenddessen versucht Genua einen Neuanfang. Am Freitagmorgen liessen vier sogenannte Strand Jacks das erste grosse Teilstück der Todesbrücke 48 Meter in die Tiefe herab. Es ist 36 Meter lang, 18 Meter breit und fast 1000 Tonnen schwer. Zehn Stunden brauchen die gigantischen Litzenheber für den Kraftakt.

Der gesamte Abriss der Autobahnbrücke wird mindestens sechs Monate dauern. Danach soll der Aufbau der neuen Brücke in Rekordzeit erfolgen. Die italienische Regierung verspricht: Genua soll bis im April 2020 eine neue Brücke haben!

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