Aus Sicht von Srebrenicas Bürgermeister Camil Durakovic wäre Aleksandar Vucic besser zu Hause geblieben. Der serbische Premier hatte vergangenen Monat angekündigt, als Zeichen der Versöhnung zur Gedenkfeier in die bosnische Stadt zu reisen. Aus Sicht Bosniens eine Provokation, weigert Vucic sich schliesslich vehement, das Massaker vor 20 Jahren als Genozid zu bezeichnen.
Doch Vucic reiste dennoch nach Srebrenica. Und sorgte damit für unbändige Wut einiger Demonstranten. Sie warfen Steine auf den Ministerpräsidenten und buhten ihn aus, als dieser ein Blumengebinde am Mahnmal niederlegte. Abgeschirmt von seinen Leibwächtern musste sich Vucic davonmachen. Die Polizei nahm mehrere Demonstranten fest.
«Meine Kindheit liegt hier begraben»
Zuvor war die Gedenkveranstaltung friedlich verlaufen. Zehntausende nahmen daran teil, darunter zahlreiche Staats- und Regierungschefs. Bürgermeister Durakovic beschrieb das Massaker mit eindrücklichen Worten. «Die meisten meiner damaligen Spielkameraden und damit meine Kindheit liegen heute begraben in der Gedenkstätte Srebrenica», sagte er.
Der Vorsitzende des UNO-Kriegsverbrechertribunals, Theodor Meron, bezeichnete den Völkermord als «Verbrechen gegen die gesamte Menschheit».
20 Befehlshaber vor Gericht
Das Massaker von Srebrenica, bei dem bosnische Serben unter Ratko Mladic im Juli 1995 rund 8000 muslimische Männer und Jungen ermordeten, wurde von der internationalen Justiz als Völkermord eingestuft. Es ist das grösste Kriegsverbrechen in Europa nach 1945.
Bis heute mussten sich laut Staatsanwalt Serge Brammertz die 20 wichtigsten Befehlshaber des Genozids vor dem UNO-Tribunal verantworten, rund 2000 Zeugen wurden angehört. Brammertz rief die Behörden in Bosnien-Herzegowina und in den Nachbarländern auf, «noch Hunderte Gerichtsverfahren» gegen die Mittäter einzuleiten, die immer noch unbehelligt lebten.
Die Feier in Gedenken an das grausame Verbrechen fand in der alten Batteriefabrik statt, die den niederländischen UNO-Soldaten damals als Hauptquartier gedient hatte. Das sogenannte Dutchbat hatte das Massaker nicht verhindern können, obwohl die UNO Srebrenica zur «sicheren Schutzzone» erklärt hatten. (SDA/lha)