Allseits wurde Kompromissbereitschaft angemahnt. CDU und CSU streben eine stabile grosse Koalition an, die SPD lässt offen, ob sie eine Neuauflage der noch amtierenden schwarz-roten Regierung oder andere Formen der Zusammenarbeit ermöglichen will.
Die Sondierungen stehen mehr als drei Monate nach der Bundestagswahl unter hohem Erwartungsdruck. Die Gespräche von Union, FDP und Grünen zur Bildung einer Jamaika-Koalition waren Mitte November gescheitert.
Auf eine neue Regierung warteten gewaltige Aufgaben, betonte die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, vor dem Beginn der Gespräche in Berlin. Es gehe darum, auch in fünf bis zehn Jahren in Wohlstand und in einer Demokratie leben zu können.
Die Sondierungen seien gut vorbereitet worden: «Ich glaube, es kann gelingen», sagte die CDU-Vorsitzende. Allerdings liege auch «ein Riesenstück Arbeit» vor den Sondierern.
Merkel braucht Erfolg
Kritiker hatten Merkel sowie SPD und CSU in der Vergangenheit wiederholt mangelnden Reformwillen vorgehalten. Die Vorsitzenden von SPD und CSU, Martin Schulz und Horst Seehofer, machten daraufhin klar, ein «Weiter so» dürfe es mit der neuen Regierung nicht geben.
Merkel, Schulz und Seehofer sind nach ihren schlechten Ergebnissen bei der Bundestagswahl angeschlagen und auf einen Erfolg der Verhandlungen angewiesen. Seehofer betonte den Einigungswillen der Union. Es lägen spannende fünf Verhandlungstage vor den drei Parteien.
Am Sonntagvormittag setzte sich zunächst die Sechser-Runde der Parteichefs und Fraktionsspitzen zusammen. Am Nachmittag befassten sich die insgesamt 39 Unterhändler aller Seiten in 14 Fachgruppen mit konkreten Arbeitsplänen.
Interview-Verbot während der Verhandlungen
Zur ersten Runde traf man sich im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale. In den kommenden Tagen wollen die Parteien abwechselnd auch in der CDU-Zentrale und in der bayerischen Landesvertretung beraten.
Die bisherigen Regierungspartner werden wohl bis in die Nacht zum Freitag ausloten, ob sie ihren Parteigremien Koalitionsverhandlungen über eine Neuauflage von Schwarz-Rot empfehlen können. Die SPD-Spitze braucht dafür die Zustimmung eines Parteitags, der am 21. Januar in Bonn stattfinden soll und als grosse Hürde gilt.
Die Spitzen von Union und SPD haben sich vorgenommen, anders als bei den im November gescheiterten Jamaika-Verhandlungen während der Gespräche in der Öffentlichkeit zurückhaltender zu sein. Das Sondierer-Team von Union und SPD verordnete sich selbst für die nächsten Tage ein Interview-Verbot. (SDA)