Eine der häufigsten Todesursachen weltweit
1,2 Millionen Todesfälle durch Antibiotika-Resistenzen

Wenn Bakterien gegen Antibiotika Resistenzen entwickeln, können an sich harmlose Infektionen tödlich enden. Eine internationale Expertengruppe versucht das Ausmass des Problems zu beziffern.
Publiziert: 20.01.2022 um 08:41 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2022 um 09:41 Uhr
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Es gibt krankmachende Bakterien, die nicht mit Antibiotika vernichtet werden können (Symbolbild).
Foto: pixababy

Mehr als 1,2 Millionen Menschen auf der Welt starben 2019 gemäss Schätzung unmittelbar an einer Infektion mit einem Antibiotika-resistenten Erreger. Bei fast fünf Millionen Todesfällen war eine solche Infektion laut Studie mindestens mitverantwortlich für den Tod. Das berichtet eine internationale Experten-Gruppe im Fachmagazin «The Lancet». Antibiotika-Resistenzen gehörten so gesehen zu den häufigsten Todesursachen weltweit.

Die Forscher hatten für das Jahr 2019 Daten aus der Fachliteratur, aus Spital-Datenbanken, Überwachungssystemen und anderen Quellen zusammengetragen und analysiert. Über statistische Modellierungen prognostizierten die Wissenschaftler die Krankheitslast für verschiedene Regionen, auch für solche, aus denen keine Daten vorlagen.

Grösste Studie bisher

Es habe bereits zuvor Studien zu einzelnen Regionen, bestimmten Erregern oder einzelnen Antibiotika gegeben. Die nun vorliegende Analyse sei die bisher umfassendste, wird berichtet. Insgesamt betrachteten die Forschenden 204 Länder und Regionen, 23 krankmachende Bakterien und 88 Kombinationen von Bakterien und Antibiotika.

Von Antibiotikaresistenz sprechen Ärzte, wenn Patienten auf ein Antibiotikum nicht reagieren, das heisst, wenn die krankmachenden Bakterien durch das Antibiotikum – anders als erhofft – nicht vernichtet werden.

4,95 Millionen Todesfälle standen gemäss Studie in Verbindung mit einer Antibiotika-resistenten bakteriellen Infektion, auch wenn die direkte Todesursache womöglich eine andere war. 1,27 Millionen Menschen starben unmittelbar an einer Infektion mit einem resistenten Bakterium – ohne Resistenzen wären diese Todesfälle vermeidbar gewesen. Zum Vergleich: An HIV/Aids starben 2020 geschätzt 680'000 Menschen, an Malaria 627'000.

Risiko bei Lungenentzündungen besonders gross

Zu Problemen mit Resistenzen kam es besonders häufig bei Infektionen der unteren Atemwege, also etwa einer Lungenentzündung. Diese allein verursachten 400'000 Todesfälle. Besonders viele Menschen starben auch infolge von Blutvergiftungen und Blinddarmentzündungen, weil die Infektion aufgrund resistenter Erreger mit Antibiotika nicht beherrschbar war.

Zu den Keimen, die am häufigsten Probleme mit Resistenzen verursachten, gehörten Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae und Streptococcus pneumoniae. Allein der gefürchtete Krankenhauskeim MRSA – Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus – verursachte 100'000 Todesfälle.

«Wir müssen jetzt handeln»

Am stärksten betroffen waren Länder im westlichen Afrika südlich der Sahara. Dort hat es auf 100'000 Menschen fast 24 Todesfälle gegeben, die sich unmittelbar auf eine Infektion mit einem resistenten Erreger zurückführen liessen. In reichen Ländern lag die Rate bei 13 Todesfällen auf 100'000 Einwohner. Kinder unter fünf Jahren sind am stärksten gefährdet.

«Diese neuen Daten legen das wahre Ausmass des Problems antimikrobieller Resistenzen weltweit offen und sind ein klares Signal, dass wir jetzt handeln müssen», sagte Mitautor Chris Murray von der University of Washington laut Mitteilung des Fachmagazins. «Wir müssen diese Daten nutzen, um den Kurs zu korrigieren und Innovationen voranzutreiben, wenn wir im Wettlauf gegen die Antibiotika-Resistenz die Nase vorn haben wollen.»

«Übersehene Pandemie»

Ziel müsse sein, Infektionen weitgehend zu vermeiden durch verbesserte Hygiene oder durch Impfungen. Ausserdem müsse der unangemessene Einsatz von Antibiotika – etwa bei viralen Infektionen, die grundsätzlich nicht auf Antibiotika ansprechen – reduziert werden. Neue Antibiotika müssten entwickelt und auf den Markt gebracht werden.

Als «übersehene Pandemie» beschreibt Ramanan Laxminarayan vom Center for Disease Dynamics das Problem antibakterieller Resistenzen in einem Kommentar zu der Studie. Obwohl viel mehr Menschen an solchen Infektionen sterben würden als etwa an HIV, flössen weit mehr Spendengelder in die Bekämpfung von HIV und Aids. Das müsse sich ändern. «Von einem unerkannten und versteckten Problem zeichnet sich nun endlich ein klareres Bild der Belastung durch antimikrobielle Resistenzen ab.» (SDA)

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