Er sagte nach 271 Tagen Haft: «Wir wurden von den Menschen, die wir lieben, unseren Verwandten und unserer Arbeit ferngehalten.» Ein Istanbuler Gericht hatte am Freitag die Freilassung der sieben Mitarbeiter unter Auflagen angeordnet.
Neben Kart kamen auch der Literaturchef der Zeitung sowie Mitarbeiter aus der Justizabteilung vorläufig frei. Sie bleiben angeklagt und müssen sich regelmässig bei den Behörden melden.
«Cumhuriyet» wurde in dem Prozess vorgeworfen, die heute als Terrororganisation gelistete Gülen-Bewegung sowie die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und die linksextreme DHKP-C zu unterstützen.
«Unzulängliche Justiz», lautete am Samstag die «Cumhuriyet«-Schlagzeile über einem Foto der vier inhaftierten Mitarbeiter. «Unsere Freunde und ihre Anwälte haben bewiesen, dass die Anschuldigungen unbegründet und illegal sind. Die Welt hat es gesehen, das Gericht aber nicht.»
Der Prozess stiess auch international auf Kritik. So verlangte die US-Regierung die Freilassung aller Journalisten, die nach dem gescheiterten Putsch im vergangenen Juli «willkürlich» festgenommen worden seien.
Das US-Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) bezeichnete das Verfahren gegen die «Cumhuriyet«-Mitarbeiter am Samstag als «absurd». Die Entlassung der sieben Beschuldigten aus der U-Haft sei «ein kleiner Schritt in die richtige Richtung«.
Unterstützung erhielten die Angeklagten ausserdem vom früheren türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül, der sich dafür aussprach, alle Journalisten während des Prozesses auf freien Fuss zu setzen.
Kart konnte sich trotz seiner Freilassung nicht freuen. «Leider sind noch vier unserer Freunde hinter Gittern», bedauerte er. Dabei handelt es sich um die prominentesten Angeklagten - Herausgeber Akin Atalay, Chefredaktor Murat Sabuncu, Investigativjournalist Ahmet Sik und Kolumnist Kadri Gürsel. Insgesamt sassen bislang elf der 17 angeklagten Zeitungsmitarbeiter im Gefängnis.
Die Beschuldigten wiesen diese Vorwürfe in ihren Plädoyers zurück. Sie verwiesen darauf, dass die Zeitung die Gülen-Bewegung ebenso wie die kurdischen Separatisten immer kritisiert habe. Die Zeitung wirft der Regierung vor, eine der letzten unabhängigen Pressestimmen zum Schweigen bringen zu wollen.
Die nächste Anhörung ist für den 11. September angesetzt. Sollten die Angeklagten verurteilt werden, drohen ihnen bis zu 43 Jahre Haft. Seit dem Putschversuch vor einem Jahr wurden in der Türkei mehr als hundert Journalisten inhaftiert und fast 150 Medien geschlossen. (SDA)