Anders ist es bei dem, was Politiker in den USA «systematischen Rassismus» nennen. Die strukturelle Benachteiligung Schwarzer ist auch rund 50 Jahre nach der rechtlichen Gleichstellung noch in vieler Hinsicht messbar: Die Leben Schwarzer sind im Durchschnitt kürzer, sie sind ärmer und weniger gesund als weisse Amerikaner. Daten können dabei helfen, das Verständnis für das Problem des Rassismus zu schärfen. Ein Überblick.
Tote bei Polizeieinsätzen
Seit 2015 haben Polizisten in den USA nach einer Auswertung der «Washington Post» rund 5400 Menschen erschossen, die zumeist bewaffnet waren. Davon waren 45 Prozent weisser Hautfarbe, obwohl Weisse rund 60 Prozent der US-Bevölkerung stellen. Schwarze, die nur 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen, repräsentierten 23 Prozent der von der Polizei Getöteten. Die Statistik der Schusswaffentode gibt nur einen kleinen Einblick in das Handeln der Polizei: Im Fall von George Floyd fiel gar kein Schuss - ohne die Handy-Videos von Passanten wäre seine Tötung kaum derart bekannt geworden. Studien der Regierung zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Gewaltanwendung durch Polizisten gegenüber Schwarzen insgesamt deutlich höher ist.
Härtere Strafen für Schwarze
Schwarze werden vielen Studien zufolge auch häufiger von der Polizei kontrolliert als Weisse. Wenn es später zu einer Verurteilung kommt, erhalten Schwarze für das gleiche Verbrechen fast 20 Prozent längere Haftstrafen als Weisse, wie ein Bericht der Regierung für den Zeitraum 2011 bis 2016 feststellte. Afroamerikaner machen der Bürgerrechtsorganisation NAACP zufolge rund 34 Prozent aller rund 2,2 Millionen Gefängnisinsassen aus. Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil werden demnach fünf Mal mehr Afroamerikaner als Weisse inhaftiert.
Jeder dritte Schwarze könnte im Gefängnis landen
Anders ausgedrückt: Jeder dritte 2001 geborene afroamerikanische Mann wird statistisch gesehen in seiner Lebenszeit einmal im Gefängnis landen, aber nur jeder 17. weisse männliche Amerikaner, wie die Bürgerrechtsgruppe Sentencing Project erklärt. «Afroamerikaner werden mit einer grösseren Wahrscheinlichkeit als weisse Amerikaner festgenommen, nach der Festnahme werden sie mit grösserer Wahrscheinlichkeit für schuldig befunden (...) und es droht ihnen mit grösserer Wahrscheinlichkeit ein hartes Strafmass», erklärt die Gruppe.
Arbeitslosigkeit und Einkommen
Die Arbeitslosenquote für Afroamerikaner ist in den USA in aller Regel deutlich höher als jene für weisse Amerikaner. Im Mai lag die Quote für Schwarze bei 16,8 Prozent, die für Weisse bei 12,4 Prozent. Zudem zeigen Studien, dass Schwarzen für vergleichbare Arbeit im Schnitt nur drei Viertel dessen bezahlt wird, was Weisse verdienen. Jeder fünfte Schwarze in den USA lebt unter der Armutsgrenze von rund 26 000 US-Dollar für eine vierköpfige Familie, wie das Institut für Wirtschaftspolitik (EPI) erklärt.
Vermögen und Eigenheim
Das Vermögen einer durchschnittlichen weissen Familie ist Studien zufolge um bis zu zehn Mal grösser als das einer schwarzen Familie. Das liegt auch daran, dass weisse Familien seit Generationen Eigentum anhäufen und weitervererben können. In absoluten Zahlen drückt es die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) so aus: Weisse in den USA kontrollierten Ende 2019 ein Vermögen von gut 95 Billionen Dollar, Schwarze knapp 5 Billionen Dollar. Der unterschiedliche Wohlstand zeigt sich auch in der Frage des Eigenheims, was in den USA die Norm ist. Heute sind knapp 74 Prozent der Weissen in den USA Eigentümer ihrer Bleibe, aber nur 44 Prozent der Schwarzen, wie die jüngsten amtlichen Daten von Ende April zeigen.
Bildung und Führungspositionen
Im Alter von 25 Jahren haben 15 Prozent der Schwarzen und nur 8 Prozent der Weissen keinen Gymnasial-Abschluss. Insgesamt haben in dem Alter 35 Prozent der Weissen einen Universitätsabschluss, aber nur 21 Prozent der Schwarzen, wie Daten des Bildungsministeriums zeigen. Afroamerikaner sind zudem in Führungspositionen grosser Unternehmen deutlich unterrepräsentiert. Unter den Fortune-500-Firmen etwa finden sich nur vier schwarze Vorstandsvorsitzende. Ähnlich ist es in der Politik: In Präsident Donald Trumps Kabinett etwa gibt es nur einen Afroamerikaner, Wohnungsbauminister Ben Carson. Beim Militär sind rund 40 Prozent der Soldaten Afroamerikaner, aber nur zwei von 41 Top-Generälen sind schwarz, wie die «New York Times» berichtet.
Gesundheitsversorgung
Die Gesundheitsversorgung für Afroamerikaner ist Experten zufolge im Schnitt schlechter als jene für Weisse. Das liegt an einem Bündel an Faktoren wie unterschiedlichem Bildungsniveau, Wohlstand, fehlendem Vertrauen in weisse Ärzte - aber auch Diskriminierung. Eine renommierte Studie aus dem Jahr 2016 zeigte, dass Schwarze, die über Schmerzen klagen, weniger Hilfe bekommen. Der Grund sei, dass viele weisse Laien, Medizinstudenten und junge Ärzte «fälschlicherweise an biologische Unterschiede zwischen Schwarzen und Weissen glaubten». Diese Wahrnehmung führe dann zu unzureichender Behandlung, hiess es. Nur 4 Prozent der Ärzte sind schwarzer Hautfarbe, obwohl 13 Prozent der Bevölkerung in den USA schwarz sind.
Weisse leben länger
Die Lebenserwartung Weisser lag 2017 bei 78,5 Jahren, die Schwarzer bei 74,9 Jahren, wie Zahlen der Gesundheitsbehörde CDC zeigen. In den USA sterben zum Beispiel pro 100 000 Geburten 13 weisse Mütter, aber mehr als drei Mal so viele schwarze Frauen: 41 Todesfälle pro 100 000 Geburten, wie aus CDC-Daten hervorgeht. In der weissen Bevölkerung leiden schätzungsweise 11,9 Prozent an Diabetes, bei den Schwarzen sind 16,4 Prozent zuckerkrank. Ähnlich verhält es sich dem CDC zufolge auch bei den Risikofaktoren Bluthochdruck und Fettleibigkeit.
Krankenversicherung und Coronavirus
In den USA gibt es keine allgemeine staatliche Krankenversicherung. 2018 hatten rund 28 Millionen Menschen gar keine Versicherung. Das traf für 5,4 Prozent der weissen Amerikaner zu. Unter Schwarzen waren es 9,7 Prozent, wie aus Daten der Volksbefragung hervorging. Auch vom Coronavirus sind Schwarze besonders betroffen. Schätzungen gehen davon aus, dass bislang ein Viertel aller Corona-Todesfälle Schwarze waren. In der Hauptstadt Washington zum Beispiel waren sogar drei Viertel aller 500 Corona-Toten Afroamerikaner. Das CDC erklärt, die Sterblichkeitsrate Schwarzer pro 100 000 Einwohner sei doppelt so hoch wie jene der weissen Bevölkerung. Verantwortlich seien oft «wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen», erklärt die Behörde. (SDA)
Am Montagabend, 25. Mai, rückt die Polizei von Minneapolis aus, um den Afroamerikaner George Floyd (†46) festzunehmen. Der Grund: Ein mutmassliches Fälschungsdelikt. Während der brutalen Verhaftung wird Floyd tödlich verletzt. Er stirbt kurz darauf im Spital.
Die letzten schmerzhaften Minuten seines Lebens wurden auf Video festgehalten. Der Clip verbreitete sich in den sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer. Entsetzen und Ausschreitungen in zahlreichen Städten der USA sind die Folge.
Die Aufnahmen zeigen, wie ein weisser Polizist sein Knie an den Hals des Afroamerikaners drückt. Minutenlang. Floyd fleht wiederholt um Hilfe, versprach, widerstandslos mitzukommen. «Ich kann nicht atmen», sagt er zuletzt. Dann bleibt er still, verliert sein Bewusstsein.
Passanten schreien die Polizisten an. Doch der Beamte Derek Chauvin presst mit seinem Knie Floyds Kehlkopf weiterhin auf den Asphalt. Erbarmungslos. Später rufen die Beamten die Ambulanz. Im Spital wird der Festgenommene für tot erklärt.
Nach der Verbreitung des Videos werden die vier beteiligten Polizisten aus dem Dienst entlassen. Derek Chauvin wird am Freitag, 29. Mai festgenommen. Er steht unter Mordverdacht.
Floyds Tod treibt in den ganzen USA die Menschen auf die Strasse. Sie demonstrieren gegen Polizeigewalt, insbesondere an dunkelhäutigen Menschen. Die Proteste eskalieren teils in heftigen Ausschreitungen und Verwüstungen.
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