Knapp ein halbes Jahr vor den Präsidentschaftswahlen haben die simbabwischen Militärs ihre Drohung wahr gemacht und in den Machtkampf um die Herrschaft über den afrikanischen Staat eingegriffen. Bewaffnete Uniformierte besetzten in der Nacht zum Mittwoch den staatlichen Fernsehen- und Radiosender. Das Parlamentsgebäude und der Präsidentenpalast sind von gepanzerten Fahrzeugen umstellt. In der Hauptstadt Harare waren Schüsse und Explosionen zu hören.
Laut Armeesprecher General Sibusiso Moyo soll es sich aber nicht um einen Putsch handeln. Ziel der Operation sei eine Gruppe von Kriminellen im unmittelbaren Umfeld des 93-jährigen Staatschefs gewesen. Am Mittag wurde schliesslich bekannt, dass Präsident Mugabe und seine Angehörigen «unter Hausarrest» stehen.
Seit 1980 ununterbrochen an der Macht
Simbabwe hält die Luft an. Die Mehrzahl der rund 15 Millionen Einwohner kennen kein Leben ohne den Mugabe-Clan. Sie können sich nicht vorstellen, dass Mugabes ehemalige Guerillatruppe und heutige Regierungspartei ZANU-PF die Macht widerstandslos aufgeben wird. Die Krise, die jetzt zum Ausrücken der Streitkräfte aus ihren Kasernen führte, begann in der vergangenen Woche mit der Entlassung von Vizepräsident Emmerson Mnangagwa.
Wichtigster Verbündeter des ins Ausland geflohenen Politikers ist Armeechef Constantino Chiwenga. Mnangagwa galt bisher als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge Mugabes, der Simbabwe seit der Unabhängigkeit im Jahr 1980 ununterbrochen regierte.
Anspruch auf das höchste Staatsamt hat in den letzten Jahren aber immer wieder auch Mugabes Ehefrau Grace erhoben. Wegen ihrer notorischen Verschwendungssucht ist die ehemalige Sekretärin in weiten Teilen der Bevölkerung verhasst. In der Armee, auf die sich der Diktator Mugabe bisher blind verlassen konnte, haben «Gucci-Grace» und ihre G-40-Bande genannten Anhänger keine Unterstützer. Sie vor allem sollen das Ziel der Militäroperation gewesen sein.
Vom Agrarexportland zur Hungergesellschaft
1980 hatten Robert Mugabe und seine Guerillakämpfer die weisse Minderheitsregierung der ehemaligen britischen Kolonie Rhodesien besiegt. Premierminister Ian Smith musste das Land verlassen. Rhodesien wurde in Simbabwe, die Hauptstadt Salisbury in Harare umbenannt.
Wegen seiner sozialistischen Pläne für die Kornkammer Afrikas war Mugabe nicht nur in der eigenen Bevölkerung, sondern auch in Europa ein gefeierter Held. Diese Zeiten sind längst vorbei. Unter Mugabes zunehmend autoritärer Herrschaft wurden die weissen Farmer enteignet und ihr Land an seine Unterstützer verteilt. Seitdem ist Simbabwe vom Agrarexportland zu einer Hungergesellschaft verkommen. Von der Hyperinflation in den Jahren 2008 und 2009 hat sich die Wirtschaft bis heute nicht erholt.
Heute kontrollieren Mugabe und seine Regierungspartei ZANU-PF die verarmte Bevölkerung mit Angst, Terror und einem weit gefächerten Spitzelnetz. Oppositionelle und Journalisten gelten im Reich des Robert Mugabe als besonders gefährdet. Wegen dieser alltäglichen Unterdrückung hat die EU Wirtschaftssanktionen gegen Simbabwe und Einreiseverbote gegen Mugabe, seine Frau und andere Staatsfunktionäre verhängt.
Mugabe wollte noch einmal antreten
Im nächsten Jahr sollen die Simbabwer einen neuen Präsidenten wählen. Robert Mugabe wollte noch einmal antreten, obwohl er auch in der eigenen Partei schon jetzt als überfordert gilt. Ehefrau «Gucci-Grace», die in der Vergangenheit auf Staatskosten gern in Paris shoppen ging, wollte ihn beerben. Sie gilt als die treibende Kraft hinter der Entlassung von Emmerson Mnangagwa.
Doch auch wenn es in diesen Stunden so aussieht, als habe sich Grace Mugabe verzockt und würden die Karten in Harare neu gemischt: Simbabwe stehen nicht automatisch bessere politische Zeiten bevor. Auch Mugabes langjähriger Weggefährte Emmerson Mnangagwa gilt nicht als überzeugter Demokrat. Mehr als einige Wirtschaftsreformen würde der ideologische Hardliner kaum anbieten. Das würde den Simbabwern nicht mehr Freiheit, aber immerhin ein klein wenig mehr Wohlstand bringen.
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