Dutzende Tote
IS-Kämpfer stürmen Gefängnis in Afghanistan

Bei einem Grossangriff der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf ein Gefängnis im Osten Afghanistans sind mindestens 39 Menschen getötet worden.
Publiziert: 04.08.2020 um 11:33 Uhr
Die Terrormiliz Islamischer Staat bekennt sich zu einem Anschlag auf ein Gefängnis im Osten Afghanistans, bei dem mindestens 39 Personen getötet wurden. Circa 800 Insassen des Gefängnis sind auf der Flucht.
Foto: imago images/Xinhua

Weitere rund 50 Menschen seien bei den stundenlangen Gefechten in Dschalalabad, der Hauptstadt der Provinz Nangarhar, verwundet worden, teilte ein Provinzsprecher am Montag mit.

IS bekennt sich zu Anschlag

Unter den Opfern seien Zivilisten, Gefängnisinsassen und Sicherheitskräfte gewesen. Zudem wurden zehn Angreifer getötet, wie das Verteidigungsministerium mitteilte. Bereits am Sonntagabend bekannte sich der IS zu dem Anschlag.

23 Stunden im Gefecht

Die Angreifer zündeten am Sonntagabend zunächst eine Autobombe und stürmten dann das Gefängnis. Die Gefechte dauerten rund 23 Stunden, bevor Spezialkräfte die Lage am frühen Montagabend unter Kontrolle brachten. Der Generalstabschef der Streitkräfte, Mohammed Jasin Sia, führte die Militäroperation. Die IS-Kämpfer verschanzten sich zeitweise im Gefängnis und in Gebäuden in der Nähe.

Gefangene auf der Flucht

Wie viele Insassen nach der Attacke aus dem Gefängnis fliehen konnten, blieb zunächst unklar. Mehr als 1000 der rund 1800 Inhaftierten seien nach einem Fluchtversuch wieder festgenommen worden, sagte ein Provinzsprecher. Mehrere Hundert Insassen in der Haftanstalt in Dschalalabad sollen Kämpfer des IS gewesen sein.

IS-Anführer getötet

Am Samstag hatte Afghanistans Inlandsgeheimdienst den Tod des IS-Anführers Assadullah Oroksai verkündet, der von Spezialkräften in der Nähe von Dschalalabad getötet worden sei. Im April hatten Spezialkommandos den Anführer des IS-Ablegers in Afghanistan, Aslam Faruki, festgenommen. Oroksai sei ein enger Vertrauter des früheren IS-Chefs gewesen, hiess es aus Sicherheitskreisen. Nangarhar galt einst als Hochburg des IS in Afghanistan, bevor Afghanistan Ende 2019 den militärischen Sieg über die Terroristen verkündet hatte.

Racheaktion ausgeschlossen

Thomas Ruttig von der Kabuler Denkfabrik Afghanistan Analysts Network zweifelt an einer Racheaktion. «Solch ein Angriff ist sicherlich langfristig geplant.» Die Attacke zeige auch, dass Ankündigungen der afghanischen Regierung, den IS militärisch besiegt zu haben, voreilig waren. «Die IS-Untergrundstrukturen scheinen sich von den Kampffronten zu unterscheiden. Erstere erweisen sich jetzt als nach wie vor handlungsfähig», sagte Ruttig der Deutschen Presse-Agentur.

Der IS in Afghanistan verübt immer wieder Anschläge im Land. Laut einem Bericht des UN-Sicherheitsrats operieren rund 2200 IS-Kämpfer in Afghanistan. Experten gehen davon aus, dass der IS nach einem möglichen Friedensschluss der militant-islamischen Taliban mit der afghanischen Regierung Zulauf von Taliban-Kämpfern erhalten könnte, die eine Einigung mit der Regierung ablehnen.

Taliban weisen Verantwortung von sich

Die aufständischen Taliban wiesen nach dem Angriff auf das Gefängnis jede Verantwortung von sich. Für das Opferfest Eid al-Adha hatten sie sich mit Kabul auf eine landesweite, dreitägige Feuerpause geeinigt, die bis auf wenige Zwischenfälle eingehalten wurde. Seit Monaten planen Afghanistans Regierung und die Taliban Friedensgespräche. Doch um Streit um einen Gefangenentausch waren diese ins Stocken geraten. Der Konflikt im Land geht indes weiter.

Abkommen mit den USA

Die USA hatten mit den Taliban am 29. Februar in Doha (Katar) ein Abkommen unterzeichnet. Es sieht einen Abzug der internationalen Truppen sowie einen Gefangenenaustausch als vertrauensbildende Massnahme vor und soll den Weg für innerafghanische Friedensgespräche bereiten. Im Gegenzug versicherten die Taliban, ihre Beziehungen mit anderen Terrororganisation zu beenden. Laut einem Bericht des UN-Sicherheitsrats bestehen aber immer noch Verbindungen zu Al-Kaida. (SDA)

Pulverfass Afghanistan

Das EDA rät von Reisen und Aufenthalten jeder Art in Afghanistan ab. Aus gutem Grund: Die Islamische Republik ist eines der gefährlichsten Länder der Welt.

Auf dem Papier ist Afghanistan eine Demokratie. Bei den letzten Parlamentswahlen im Oktober 2018 liessen sich mehr als 2500 Kandidaten aufstellen, darunter 418 Frauen. Doch der Krieg im Land hebelt die demokratischen Strukturen aus. In vielen Landesteilen sind die Taliban an der Macht, in anderen Teilen des Landes kämpfen bewaffnete Gruppierungen und der Islamische Staat gegen die Sicherheitskräfte.

Schwere Gefechte, Raketeneinschläge, Minen, Terroranschläge, Entführungen, Vergewaltigungen und bewaffnete Raubüberfälle sind Alltag. Allein im Jahr 2017 sind nach Angaben der Vereinten Nationen 3438 Zivilisten getötet und 7015 verletzt worden. (kin)

Das EDA rät von Reisen und Aufenthalten jeder Art in Afghanistan ab. Aus gutem Grund: Die Islamische Republik ist eines der gefährlichsten Länder der Welt.

Auf dem Papier ist Afghanistan eine Demokratie. Bei den letzten Parlamentswahlen im Oktober 2018 liessen sich mehr als 2500 Kandidaten aufstellen, darunter 418 Frauen. Doch der Krieg im Land hebelt die demokratischen Strukturen aus. In vielen Landesteilen sind die Taliban an der Macht, in anderen Teilen des Landes kämpfen bewaffnete Gruppierungen und der Islamische Staat gegen die Sicherheitskräfte.

Schwere Gefechte, Raketeneinschläge, Minen, Terroranschläge, Entführungen, Vergewaltigungen und bewaffnete Raubüberfälle sind Alltag. Allein im Jahr 2017 sind nach Angaben der Vereinten Nationen 3438 Zivilisten getötet und 7015 verletzt worden. (kin)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?