Düpiert von Lukaschenko
Wie die EU jetzt reagiert – und welche Möglichkeiten ihr noch bleiben

Die EU reagiert nach der erzwungenen Zwischenlandung einer Ryanair-Maschine in Minsk mit ersten Sanktionen. Reicht das?
Publiziert: 25.05.2021 um 20:03 Uhr
|
Aktualisiert: 25.05.2021 um 21:40 Uhr
1/7
EU-Chefin Ursula von der Leyen verkündet erste Massnahmen gegen Belarus.
Foto: imago images/Belga
Fabienne Kinzelmann

Alexander Lukaschenko (66) hat die EU düpiert. Am Sonntag zwang ein Kampfjet den Ryanair-Flug FR4978 auf dem Weg von Athen nach Vilnius wegen einer angeblichen Bombendrohung zur Kursänderung nach Minsk. Dort verhafteten Lukaschenkos Männer den im Exil lebenden belarussischen Journalisten Roman Protasewitsch (26) und seine Freundin Sofia Sapieha (23), die die russische Staatsbürgerschaft besitzt.

Die de-facto Entführung eines irischen Flugzeugs zwischen zwei EU-Hauptstädten, um einen Regime-Kritiker festzunehmen: Das kann und darf Brüssel nicht ungestraft lassen. «Es darf kein Präzedenzfall werden. Schliesslich wollen viele Länder gerne Oppositionelle festnehmen», sagt der ETH-Sicherheitsexperte Benno Zogg zu Blick.

Entsprechend schnell handelte die EU. Keine 48 Stunden nach dem Vorfall verkündete EU-Chefin Ursula von der Leyen (62) erste Sanktionen. «Das Urteil war einstimmig, dies ist ein Angriff auf die Demokratie, dies ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit und dies ist ein Angriff auf die europäische Souveränität. Dieses ungeheuerliche Verhalten bedarf einer starken Antwort», so die Präsidentin der Europäischen Kommission.

Das sind die neuen EU-Massnahmen gegen Belarus

Belarussische Fluggesellschaften dürfen künftig nicht mehr den Luftraum der EU nutzen und auch nicht mehr auf Flughäfen in der EU starten und landen. Mehrere Fluggesellschaften – darunter die Lufthansa und ihr Tochterkonzern Swiss – meiden zudem den belarussischen Flugraum.

«Eine drastische Massnahme», so Benno Zogg, der sich am Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich unter anderem mit Belarus beschäftigt. «Das bedeutet einen Einnahmenverlust für die Fluggesellschaften, aber auch für den Staat, der durch Überflugsgebühren Geld einnimmt. Es heisst aber auch, dass es für Belarussinnen und Belarussen schwer ist, zu reisen.»

Zudem will die EU gezielte Wirtschaftssanktionen verhängen und eine Ausweitung der Liste mit Personen und Unternehmen, gegen die Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gelten.

EU könnte Belarus von Finanzierungsquellen abschneiden

«Ausser den Fluggesellschaftssanktionen ist noch nichts konkret. Die USA sind aber bereits vorangeschritten mit Sanktionen gegen staatliche belarussische Firmen im Ölsektor», erklärt Belarus-Experte Zogg. Der Sektor sei eine wichtige Einnahmequelle des Staates. Die EU zögere jedoch.

«Einerseits fürchten europäische Staaten, damit vornehmlich Arbeiterinnen und Arbeiter zu treffen. Zudem würde ein Einbruch des Staatsbudgets vor allem zu Einschnitten im Sozialbereich führen, was Bürger sehr viel stärker spüren als Oligarchen», so Zogg. Eine Ausweitung der Sanktionsliste gegen Personen könnte zudem etwa Vertreter der Luftfahrtbehörde, der Luftwaffe oder der staatlichen Fluggesellschaft Belavia treffen.

Erst im vergangenen Dezember hatte die EU ein drittes Sanktionspaket, das 36 zusätzliche Personen betrifft, beschlossen, dem sich die Schweiz bislang nicht angeschlossen hat.

EU sendet auch positive Botschaften

Die EU probiert es aber auch auf dem netten Weg. Statt nur mit weiteren Strafen zu drohen macht Brüssel Belarus auch ein Angebot. «Wir haben ein drei Milliarden schweres Wirtschafts- und Investitionspaket für Belarus parat, wenn es demokratisch wird», versprach Ursula von der Leyen am Montag auf Twitter.

«Das Land könnte Wirtschaftshilfe auf Europa und bessere Handelsbeziehungen eigentlich gut gebrauchen. Diese fänden auch breite Zustimmung in der Bevölkerung», sagt Belarus-Experte Benno Zogg. «Leider haben reformorientierte Kräfte in Belarus – innerhalb und ausserhalb des Regimes – einen schweren Stand, solange Lukaschenko die Zügel fest in der Hand hält.» Gut möglich also, dass die EU am Ende wieder die harten Bandagen anziehen muss.

Die Skandal-Akte Belarus

Seit den Präsidentschaftswahlen im August 2020 ist Belarus unter Diktator Alexander Lukaschenko (66) international immer stärker isoliert. Dies, nachdem der Machthaber mit Misshandlungen und willkürlichen Verhaftungen gegen Demonstranten vorgegangen ist. Die Opposition in Belarus bezeichnet die Wahl, bei der Lukaschenko 80 Prozent der Stimmen geholt haben soll, als Scheinwahl.

Auch Journalisten wurden Opfer von Lukaschenkos Gewaltregime. Etwa SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky (31), die am 31. Januar vor einer Grossdemonstration gegen das Wahlergebnis in Minsk in ein Gefängnis gesteckt wurde. Erst nach der Intervention des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wurde sie wieder freigelassen.

Bitter für Hockey-Fan Lukaschenko: Am 18. Januar entzog man dem Land auch noch die Eishockey-WM, die vom 21. Mai bis 6. Juni ausgetragen wird. Belarus war zusammen mit Lettland Veranstalter. Doch Sponsoren drohten wegen der Menschenrechtsverletzungen mit dem Rückzug. Nun wird die WM nur in Lettland ausgetragen.

Im März 2021 folgte schliesslich der Absturz beim Eurovision Song Contest ESC. Die Band Galasy ZMesta wollte mit einem Song antreten, der indirekt Propaganda für das Lukaschenko-Regime beinhaltete. Die Jury schloss das Land vom Wettbewerb aus. Flavio Razzino

Seit den Präsidentschaftswahlen im August 2020 ist Belarus unter Diktator Alexander Lukaschenko (66) international immer stärker isoliert. Dies, nachdem der Machthaber mit Misshandlungen und willkürlichen Verhaftungen gegen Demonstranten vorgegangen ist. Die Opposition in Belarus bezeichnet die Wahl, bei der Lukaschenko 80 Prozent der Stimmen geholt haben soll, als Scheinwahl.

Auch Journalisten wurden Opfer von Lukaschenkos Gewaltregime. Etwa SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky (31), die am 31. Januar vor einer Grossdemonstration gegen das Wahlergebnis in Minsk in ein Gefängnis gesteckt wurde. Erst nach der Intervention des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wurde sie wieder freigelassen.

Bitter für Hockey-Fan Lukaschenko: Am 18. Januar entzog man dem Land auch noch die Eishockey-WM, die vom 21. Mai bis 6. Juni ausgetragen wird. Belarus war zusammen mit Lettland Veranstalter. Doch Sponsoren drohten wegen der Menschenrechtsverletzungen mit dem Rückzug. Nun wird die WM nur in Lettland ausgetragen.

Im März 2021 folgte schliesslich der Absturz beim Eurovision Song Contest ESC. Die Band Galasy ZMesta wollte mit einem Song antreten, der indirekt Propaganda für das Lukaschenko-Regime beinhaltete. Die Jury schloss das Land vom Wettbewerb aus. Flavio Razzino

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?