Wer ist Nancy Pelosi?
Am Donnerstag ist Nancy Patricia D’Alesandro Pelosi zur Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses gewählt worden. Damit ist die 78-jährige Fraktionschefin der Demokraten die politisch mächtigste Frau in den USA. Und nach US-Präsident Donald Trump und seinem Vize die Nummer drei im Land. Diesen Job hatte sie bereits von 2007 bis 2011 inne – als erste Frau in der Geschichte des Landes.
Pelosi ist seit 37 Jahren Politikerin. Sie weiss, Kritik abzuwehren, Mehrheiten zu organisieren und Abweichler einzufangen. Die Italoamerikanerin gilt als geschickte Taktiererin, die es versteht, hinter den Kulissen zu schachern und ihre eigene Partei auf Kurs zu halten. Schon früh kam sie mit der Politik in Kontakt: Ihr Vater war Bürgermeister der Ostküstenstadt Baltimore in der Nähe von DC. Pelosi wuchs als jüngstes von sechs Kindern auf. Die fünffache Mutter ist bekannt für ihr Durchhaltevermögen: Um für ein Einwanderungsgesetz zu kämpfen, hatte sie einmal acht Stunden ohne Pause und ohne Essen einen Redemarathon absolviert.
Muss Trump jetzt um sein Amt fürchten?
Pelosi ist jetzt die stärkste Gegenspielerin Trumps. Sie ist der Meinung, der Präsident könne auch im Amt unter Anklage gestellt werden. Eine Rechtsauffassung, über die sich sowohl die politischen Parteien als auch die Verfassungsrechtler streiten. Ihre Tochter Alexandra Pelosi warnte am Mittwoch Trump in einem Interview mit dem TV-Sender CNN: «Sie wird dir den Kopf abschneiden. Und du wirst nicht mal merken, dass du blutest.»
Klar ist auf jeden Fall, dass die Demokraten mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus ein Amtenthebungsverfahren, das sogenannte «Impeachment», einleiten können.
Pelosi schliesst dies zumindest nicht mehr aus – nachdem sie sich bisher eher ablehnend dazu geäussert hatte. «Wir sollten keine Anklage aus einem politischen Grund erheben, und wir sollten keine Anklage aus einem politischen Grund vermeiden», sagte Pelosi zu «CNN». «Wir müssen abwarten, was mit dem Bericht von Mueller passiert.» Zur Erinnerung: Sonderermittler Robert Mueller untersucht die Beziehungen des Trump-Teams zu Russland während des Wahlkampfes 2016.
Um den Präsidenten schliesslich abzusetzen, braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Ob die Demokraten dafür genügend Republikaner auf ihre Seite ziehen können, ist eher fraglich.
Wie können die Demokraten Trump unter Druck setzen?
Die neuen Machtverhältnisse im Kongress bedeuten starke Veränderungen für Trump. Zwar halten seine konservativen Republikaner im Senat weiterhin die Mehrheit, im Repräsentantenhaus jedoch mussten sie diese bei den Wahlen vor zwei Monaten an die Demokraten abgeben. Das kann ungemütlich werden für den US-Präsidenten.
Denn die Demokraten haben dank ihrer neu gewonnen Mehrheit die Möglichkeit, republikanische Gesetzesvorhaben und damit Trump selber auszubremsen. Denn jedem Gesetz müssen beide Kammern zustimmen. So können die Demokraten einen weiteren Abbau von Ex-Präsident Barack Obamas eingeführten Gesundheitssystems verhindern.
Es wird erwartet, dass Pelosi und ihre Demokraten in den nächsten Monaten zahlreiche parlamentarische Untersuchungen gegen Trump einleiten werden. So wollen die Demokraten beispielsweise einen Untersuchungsausschuss zur Russlandaffäre anstrengen und Trumps Steuerunterlagen durchleuchten.
Demokrat Jerrold Nadler, der bald dem Justizausschuss im Repräsentantenhaus vorsitzt, hat bereits angekündigt, den Rausschmiss von Justizminister Jeff Sessions im November untersuchen zu lassen. In der Zeitung «USA Today» erklärt er auch, das Instrument der sogenannten Subpoena vermehrt anzuwenden. Damit können Regierungsmitglieder und Zeugen zu Anhörungen vorgeladen und vertrauliche Dokumente eingefordert werden.
Als Oppositionsführerin und somit Trumps wichtigste Gegenspielerin liegt es in Pelosis Hand, die Untersuchungen erfolgreich durchzuführen.
Was sagte Pelosi in ihrer Antrittsrede über ihre Pläne?
Die Kritik an Trump blieb aus. Stattdessen konzentrierte sich Pelosi darauf, was die Demokraten umsetzen möchten. Beispielsweise den Schutz von Obamacare, die Bekämpfung des Klimawandels, mehr Geld für Strassen und Infrastruktur oder strengere Regeln für Lobbyisten und Wahlkampfspendern.
«Es ist ein historischer Moment für unsere Nation», sagte Nancy Pelosi gemäss «CNN». «Vor zwei Monaten sprach das amerikanische Volk und verlangte eine neue Ära.» Und sie ergänzte: «Dieser Kongress wird überparteilich, transparent und einheitlich sein.»
Sie sei «besonders stolz», während des 100. Jahres des Frauenwahlrechts Sprecherin des Repräsentantenhauses zu sein. Es sei ein «Privileg ist, mit über 100 weiblichen Mitgliedern des Kongresses zu dienen, der grössten Zahl in der Geschichte».
Pelosi macht sich nach eigenen Worten jedoch kaum Hoffnungen auf eine reibungslose Zusammenarbeit mit den Republikanern in den kommenden zwei Jahren, schreibt der «Spiegel»: «Wir machen uns keine Illusionen, dass die Arbeit leicht sein wird oder dass wir alle in dieser Parlamentskammer immer einer Meinung sein werden.» Sie forderte die Abgeordneten dazu auf, sich bei allen Meinungsverschiedenheiten Respekt zu zollen: «Lasst uns einander und die Wahrheit respektieren.»
Und wie reagierte Trump auf die Wahl seiner neuen Gegenspielerin?
Der US-Präsident hat Pelosi zur Übernahme des Vorsitzes im Abgeordnetenhaus gratuliert. Die Amtsübernahme sei «eine enorme, enorme Leistung», sagte Trump am Donnerstag (Ortszeit) vor Journalisten im Weissen Haus. «Hoffentlich werden wir zusammenarbeiten und viele Dinge wie Infrastruktur und so vieles mehr erledigen.»
Und natürlich konnte es Trump nicht lassen und warb erneut für eine Mauer an der Grenze zu Mexiko – der grosse Streitpunkt im «Shutdown». Pelosi lehnt deren Finanzierung strikt ab, was sie am Donnerstag gegenüber Journalisten nochmals bekräftige. Den Regierungsstillstand zu beenden wird Pelosis erste grosse Herausforderung werden. Das Repräsentantenhaus hat am Donnerstag zumindest schon mal einem neuen Budgetentwurf zugestimmt. (sga)