Joaquín «El Chapo» Guzmán machte sich im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Staub. Durch ein Loch in der Dusche in seiner Zelle im Hochsicherheitsgefängnis Altiplano begab er sich in einen geheimen Tunnel. Der 1,5 Kilometer lange Gang in die Freiheit war laut Behördenangaben mit einer eigenen Strom- und Sauerstoffversorgung ausgestattet.
Die Ermittler fanden Benzinkanister. Sie gehen deshalb davon aus, dass «El Chapo» einen Töff für seine spektakuläre Flucht benutzte. Bei einer Baustelle kam er wieder an die Oberfläche. Dann verliert sich seine Spur im Sand, Dreck und Staub.
Brisant: Es ist nicht das erste Mal, dass der berüchtigte Drogenbaron, der «Staatsfeind Nummer 1», auf solch spektakuläre Art und Weise aus einem Knast ausbricht. 2001 suchte er in einem Wäschecontainer das Weite.
«El Chapo» als kleiner Drogendealer
Der aktuelle Vorfall macht «El Chapo» noch unberechenbarer, noch gefährlicher. Dabei zeichnete sich schon in seiner Kindheit ab, dass Joaquín wohl früher oder später mit dem Gesetz in Konflikt geraten würde. Zusammen mit seinem Vater verkaufte er im Staat Sinaloa Marihuana.
Mit etwa 20 Jahren machte er mit dem organisierten Verbrechen Bekanntschaft. Er galt als Jünger von «El Padrino» Miguel Ángel Félix Gallardo. Gallardo und sein Guadalajara-Kartell hatten den Kokainschmuggel in den 80er Jahren fest im Griff.
Von der rechten Hand des «Paten» zum Drogenboss
«El Chapo» – sein Name bedeutet «der Kleine» arbeitete sich schnell hoch und wurde zu einem ganz Grossen im Kartell. Er war verantwortlich für die Region Sinaloa. 1989 wurde «El Padrino» verhaftet, das Kartell zerbrach. Doch «El Chapo» konnte sich im mexikanischen Drogensumpf behaupten. Dank seinen neuen Schmuggelmethoden wurde das Sinaloa-Kartell zum mächtigsten Verbrechersyndikat.
Zu seinen Innovationen gehörten unter anderem klimatisierte Tunnel, die unter der Grenze zwischen Mexiko und den USA hindurch führen.
Doch 1993 wurde «El Chapo» verhaftet und zu 20 Jahren Haft verurteilt. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, seine Geschäfte weiter zu führen. Dank Bestechungsgelder genoss er viele Freiheiten im Knast und konnte so sein Kartell aufrechterhalten – die Bestochenen sorgten dafür, dass es ihm weder an Frauen noch an Kokain fehlte.
Die erste Flucht
Nach etwa acht Jahren Haft folgte die Episode mit dem Wäschecontainer. Funktioniert hat die Flucht dank korrupter Wärter.
Guzmán konnte danach allerdings kein unbeschwertes Leben in Saus und Braus geniessen. Es gibt Meldungen, dass er zwischen sieben Häusern gependelt sei, die durch unterirdische Tunnels miteinander verbunden waren.
Fast 13 Jahre lebte er in Freiheit, doch im Februar 2014 schlug die mexikanische Polizei zu und verhaftete Guzmán in seiner Wohnung.
«El Chapo» und die Frauen
Erwischt wurde er mit seiner Frau Ema Coronel Aispuro, einer ehemaligen Schönheitskönigin, mit der er Zwillingsmädchen hat. Die Frauen sind ein grosses Laster im Leben des Drogenbosses. Aispuro ist seine dritte Ehefrau. Mit ihren Vorgängerin hat «El Chapo» weitere sieben Kinder. Danaben soll er stets zahlreiche Geliebte gehabt haben.
Offenbar war er besessen vom schönen Geschlecht. In einem Interview sagte er einst, es habe ihn «fasziniert, von den Frauen abgewiesen zu werden, um in einem «melodramatischen Zustand» zu verfallen, den er mit Alkohol betäubte.
Auch im Knast konnte er die Finger nicht von den Frauen lassen. Er hatte etwas mit einer Gefangenen. Er schwängerte auch diese Frau, allerdings verlor sie das Kind. Die Affäre mit dem mächtigsten Drogenboss bekam der Frau allerdings nicht gut. Sie wurde von Mitgliedern des Los-Zetas-Kartell ermordet, in ihren Körper ritzte man ein «Z».
80'000 Tote im Drogenkrieg
Die beiden Kartelle lieferten sich seit jeher einen blutigen Kampf. Alleine zwischen 2006 bis 2014 starben 80'000 Menschen in dem Drogenkrieg. In den mexikanischen Medien wird «El Chapo» auch als «Osama bin Laden von Mexiko» bezeichnet. Er selbst soll Hunderte oder gar Tausende Morde begangen haben. «Ich habe 2000 oder 3000 Menschen getötet», sagte der Drogenboss nach seiner Verhaftung 2014.
Doch trotz seinen kriminellen Machenschaften und seiner Brutalität scheint Guzmán die Bevölkerung zu faszinieren. Es gibt unzählige Bewunderer, die dem Drogenbaron sogar sogenannte «Narcocorridos» widmeten – Drogenballaden in denen seine Gewalttaten verherrlicht werden. (kab)