Häuser ohne Dächer. Demolierte Autos. Umgestürzte Bäume. Trümmer. Ein Tornado verwüstet am Donnerstagabend sieben Dörfer in Tschechien, ganze Siedlungen sind plötzlich platt. Mindestens drei Menschen kommen beim Unwetter ums Leben. Mindestens 200 werden verletzt, 60 davon müssen örtlichen Krankenhäuser stationär behandelt werden.
Videoaufnahmen zeigen den Tornado im Südosten des Landes, nahe der österreichischen Grenze. Noch immer werden Menschen unter den Trümmern von zerstörten Häusern vermutet. Spürhunde helfen bei der Suche.
Viele Einwohner der betroffenen Gemeinden stehen unter Schock. «Auf einmal habe ich ein merkwürdiges Dröhnen gehört, als ob ein Zug näherkommen würde», sagt ein Augenzeuge der Zeitung «Pravo». «Dann begann die Hölle, alles flog herum.»
«Überall Blut und hilflose Menschen»
Der Direktor eines örtlichen Spitals beschreibt gegenüber dem Portal «Blesk.cz» die Szenen auf seiner Notfallstation: «Überall waren Blut, Tränen und hilflose Menschen.» Viele hätten ihr Zuhause innert Minuten verloren. Die Situation vor Ort sei wie in einem Krieg, sagte der tschechische Gesundheitsminister Adam Vojtech im Fernsehen.
Heftige Wirbelstürme gelten in unseren Breitengraden als eher selten, treten aber im eher flachen Osten Europas vermehrt auf. Als Tornado-Region schlechthin gilt der Mittlere Westen der USA, wo die feuchtwarme Luft aus dem Golf von Mexiko mit der kalt-trockenen Luft der Rocky Mountains zusammenstösst. Zusammen mit dem äusserst flachen Gelände bildet dies einen idealen Nährboden für zerstörerische Tornados.
Sturmpotenzial nimmt auch in der Schweiz zu
«Die Wahrscheinlichkeit für stärkere Tornados ist bei uns sehr gering, nicht zuletzt, weil wir mit der hügeligen Landschaft und den Bergen eine sehr komplexe Topografie haben», sagt Geraldine Zollinger, Meteorologin bei Meteonews, zu Blick.
«Mit dem Klimawandel und den dadurch steigenden Temperaturen werden die Stürme tendenziell heftiger und intensiver ausfallen. Dadurch können die Luftmassen mehr Feuchtigkeit fassen, womit sich ein grösseres Potenzial ergibt», fügt sie an. Allerdings sei eine Tendenz zu einer höheren Anzahl an Stürmen derzeit nicht zu erkennen.
Klimawandel begünstigt Tornados
Als am ehesten für Tornados prädestinierte Gegend in der Schweiz bezeichnet Zollinger die Region rund um das Juragebirge. Weil sich dort, wie dies auch in den vergangenen Tagen beobachtet werden konnten, immer wieder sogenannte Superzellen bilden. Rund 30 Prozent von ihnen hätten theoretisch das Potenzial, sich in einem Tornado zu entladen.
Die Auswirkungen können lokal fatal sein, wie das aktuelle Beispiel in Tschechien zeigt. Besonders betroffen sind dort die Gemeinden Hrusky mit knapp 1500 und Moravska Nova Ves mit rund 2600 Einwohnern. Der stellvertretende Bürgermeister Hruskys sagt der Agentur CTK, dass der halbe Ort dem Erdboden gleichgemacht worden sei. «Geblieben sind nur die Mauern, ohne Dach, ohne Fenster.» Die meisten Menschen konnten sich gar nicht schützen. Bilder zeigen Hagelkörner in der Grösse von Tennisbällen.
Hilfe aus dem Ausland
Tausende Haushalte in der Region sind ohne Strom. Strassen und Zuglinien sind noch blockiert. Die tschechische Armee rückte zum Hilfseinsatz aus. Österreich schickte 20 Krankenwagen und zwei Rettungshubschrauber, auch die benachbarte Slowakei entsandte Hilfe. Der Einsatz dauert am Freitag an.
Der tschechische Regierungschef Andrej Babis liess mitteilen, dass er wegen des Wetters in Europa nicht mit dem Flugzeug aus Brüssel zurückkehren könne, wo er an einem EU-Gipfel teilnimmt. (hah/laa/SDA)