Vier Jahre lang hat Mitch McConnell (78) seinem Parteikollegen Donald Trump (74) den Rücken gestärkt. Egal welchen Skandal der US-Präsident sich gerade geleistet hatte, der hochrangige Republikaner und Mehrheitsführer im Senat sprang seinem Chef loyal zur Seite. Doch jetzt vollzieht McConnell eine Woche vor Ablauf von Trumps Präsidentschaft offenbar eine Kehrtwende!
Der Senator aus dem Bundesstaat Kentucky soll nun gar das drohende zweite Impeachment von Trump unterstützen, wie am Dienstagabend die «New York Times» berichtet. McConnell hat gegenüber seinen Mitarbeiter gesagt, dass sich der Präsident mit seinem Verhalten vor und während des Kapitol-Sturms «strafbar» gemacht habe, berichtet die Zeitung. McConnell will Trump offenbar aus der Partei verjagen und glaubt, dass ein zweites Impeachment von Vorteil sein könnte.
Auch Kevin McCarthy (55), Anführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, soll laut der «New York Times» über ein vorzeitiges Ende Trumps nachdenken. Die Zeitung berichtet am Dienstag weiter, dass McCarthy Parteikollegen befragt habe, ob man gemeinsam den Präsidenten zum Rücktritt auffordern soll.
Republikanerin fordert Trumps Rücktritt
Für Trump wird es innerhalb seiner Partei langsam eng. Am Freitag hatte ihn bereits die republikanische Senatorin Lisa Murkowski (63) zum Rücktritt aufgefordert. «Ich will, dass er zurücktritt. Ich will ihn raus haben», sagte sie.
Zu den Republikanern, die Trump nun den Rücken zukehren, gehört auch die hochrangige Abgeordnete Liz Cheney (54). Die Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney (79) veröffentlichte am Dienstagabend eine Stellungnahme und verkündete ihr Zustimmung für den Impeachment-Vorstoss der Demokraten: «Ich werde dafür stimmen, den Präsidenten des Amtes zu entheben», erklärte sie. Trump habe den «Mob», der das Kapitol stürmte, zusammengetrommelt und die Attacke ausgelöst. «Nichts davon wäre ohne den Präsidenten passiert», so Cheney.
Vize Pence stärkt Trump öffentlich den Rücken
Immerhin auf seinen Vizepräsidenten kann Trump noch zählen. Mike Pence (61) hat am Dienstagabend eine sofortige Absetzung des Präsidenten über den 25. Zusatzartikel der Verfassung offiziell abgelehnt. In einem Schreiben an die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi (80), legte Pence seine Gründe dafür dar.
Ein solches Vorgehen, das von ihm und mehreren Kabinettsmitgliedern angestossen werden müsste, sei weder im Interesse der Nation noch im Einklang mit der Verfassung und würde einen «schrecklichen Präzedenzfall» schaffen, argumentierte der Republikaner. Auf Grundlage des 25. Zusatzartikels der Verfassung könnte Pence den Präsidenten mit einer Mehrheit wichtiger Kabinettsmitglieder für unfähig erklären, sein Amt auszuüben.
Heute dürfte Trump (erneut) impeached werden
Damit scheint der Weg für ein historisches Impeachment-Verfahren am heutigen Mittwoch geebnet. Pelosi machte bereits vergangene Woche deutlich, dass ihre Partei Trump ein zweites Mal impeachen werde, sollte Pence nicht eigenständig handeln. Und die Demokraten haben für diesen Fall am Montag und Dienstag vorwärtsgemacht: Die Partei hat bereits eine Anklageschrift aufsetzen lassen und wirft Trump darin «Anstiftung zum Aufruhr» vor.
Nun dürfte es am heutigen Mittwoch schnell gehen: Das Repräsentantenhaus wird voraussichtlich am Nachmittag (Ortszeit) über diesen Anklagepunkt abstimmen. Eine Mehrheit dafür gilt als sicher – und dann wäre Donald Trump als erster US-Präsident in der Geschichte zum zweiten Mal impeached worden.
Stimmfreigabe bei Republikanern
Bemerkenswert: Die Top-Republikaner im Repräsentantenhaus haben laut der «New York Times» quasi Stimmfreigabe beschlossen. Anders als im Januar habe die Parteiführung nicht für eine Ablehnung des Trump-Impeachments geworben, berichtet die Zeitung.
Ein Impeachment kommt allerdings noch nicht dem sofortigen Ende von Trumps Präsidentschaft gleich. Das eigentliche Verfahren zur Amtsenthebung fände dann in der zweiten Kongresskammer, dem Senat, statt. Dort wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig, um Trump am Ende zu verurteilen. Wann dieses Verfahren stattfinden soll, ist unklar. Aus Washington ist zu vernehmen, dass beide Parteien die Amtseinführung des neuen Präsidenten Joe Biden (78) abwarten möchten.