Nach Ankunft der Hilfslieferung in der belagerten syrischen Stadt Madaja vom Montag sind Helfern zufolge alle Güter bei den hungernden Menschen angekommen. «Wir sind fast die ganze Nacht aufgeblieben, um den Nachschub zu verteilen», sagte ein Helfer in der Stadt.
Erste Eindrücke aus der Stadt zeigten die Folgen des Mangels an Nahrung und Medizin: Kinder, Frauen und ältere Männer auf den Strassen sähen «blass, schwach und dünn» aus, sagte Pawel Krzysiek, Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).
Diese Menschen seien fast tot und bräuchten dringend medizinische Hilfe, sagten UNO-Diplomaten am Montagabend nach einer Sicherheitsratssitzung in New York. Die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen, die an dem Konvoi beteiligt waren, hätten zuvor eine Bestandsaufnahme der Lage in dem Ort und des Zustands der Menschen gemacht. Der erste Hilfskonvoi könne nur ein Anfang sein.
UNO-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien informierte den UNO-Sicherheitsrat über die aktuelle Situation. «Es ist ermutigend, dass ein Konvoi mit Hilfslieferungen in Madaja angekommen ist, aber das ist nur der Anfang», sagte Neuseelands UNO-Botschafter Gerard van Bohemen. «Wir brauchen ungehinderten und anhaltenden Zugang zu allen notleidenden Menschen in Syrien.»
330 Tonnen Nahrung eingetroffen
Der syrische UNO-Botschafter Bashar Jaafari betonte dagegen, es gebe gar keine Hunger leidenden Menschen in Madaja. Diese Berichte seien «erfunden». Es gebe aber das Problem, dass Terroristen Hilfslieferungen stehlen würden.
Am Montag hatte die lebensrettende Hilfslieferung Tausende vom Hungertod bedrohte Bewohner in Madaja erreicht. Die ersten Lastwagen des Konvois mit insgesamt 330 Tonnen Nahrung und Medikamenten fuhren am Montagnachmittag in den seit einem halben Jahr von Regierungstruppen eingeschlossenen Ort, wie Pawel Krzysiek, Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sagte.
Essen soll für 40 Tage reichen
Die Hilfe besteht neben Nahrung unter anderem aus Medikamenten für chronische Krankheiten, Schwangere und Säuglinge. Dem Syrischen Halbmond zufolge reicht sie aus, um die bis zu 40'000 Menschen in der westsyrischen Stadt 40 Tage lang zu versorgen.
Insgesamt starben in Madaja seit Dezember nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) mindestens 28 Menschen wegen Mangelernährung - darunter sechs Kinder im Alter unter fünf Jahren. Erst am Sonntag bestätigte MSF fünf Todesfälle.
Neben den Zivilisten befinden sich nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte etwa 125 Kämpfer der Rebellen in der Stadt. Spannungen zwischen ihnen und der Bevölkerung gebe es nicht.
Auch Lieferungen in Fua und Kefraja
Zeitgleich zu der Hilfe für Madaja traf eine Lieferung in den von Rebellen belagerten Orten Fua und Kefraja im Nordwesten Syriens ein. Diese Dörfer werden von Regierungstruppen gehalten, auch dort war nach Angaben von Menschenrechtlern eine Person infolge der Blockade gestorben. Die Hilfslieferungen in Madaja und den beiden Dörfern gehen auf eine von den Vereinten Nationen vermittelte Abmachung zwischen dem Regime von Baschar al-Assad und Rebellen zurück.
Hilfsorganisationen konnten nach eigenen Angaben zuletzt im Oktober Lieferungen nach Madaja bringen. Aktivisten berichteten, die Menschen ernährten sich von Blättern, Hunden und Katzen.
«Uns wurde gesagt, dass Essen geliefert wird, das wir fast drei Monate lang nicht hatten (...). Ich hoffe, es wird auch Brot dabei sein, weil ich den Geschmack vergessen habe», sagte der zehnjährige Rami aus Madaja am Montag. Der acht Jahre alte Hassan erzählte, er und seine Familie hätten in der vergangenen Woche nur von Wasser, Pfeffer und Salz gelebt: «Ich möchte Eier und Kartoffeln zum Abendessen haben.»
In Syrien werden Städte gezielt ausgehungert
Frankreich forderte eine rasche Öffnung der Stadt. Es sei eine «absolute Notwendigkeit, dass Syrien und Russland ihre militärischen Operationen gegen die Zivilbevölkerung beenden», sagte Aussenminister Laurent Fabius in Paris.
Das gezielte Aushungern von Zivilisten gilt völkerrechtlich als Kriegsverbrechen. Schon im Juni 2015 hatte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in einem Bericht zur Lage im Bürgerkriegsland Syrien darauf hingewiesen, dass alle Konfliktparteien systematisches Aushungern wie in der Stadt Madaja als Kampfmethode einsetzen. (SDA/nbb)