Zehntausende Brasilianer haben am Sonntag erneut gegen Präsidentin Dilma Rousseff protestiert, die sie für die steigenden Lebenshaltungskosten und die grassierende Korruption in ihrem Land verantwortlich machen. Insgesamt waren Märsche in mehr als 200 Städten geplant.
Erste Protestzüge setzten sich unter anderem in der Hauptstadt Brasília, in São Paulo und Rio de Janeiro sowie im südöstlichen Belo Horizonte, im nordöstlichen Recife und in Belem im Norden in Bewegung.
Die Polizei zählte bis zum Nachmittag 265'000 Teilnehmer, die Veranstalter kamen auf 405'000, wie das Portal «Globo» berichtete. Rousseff berief wegen der neuen Protestwelle eine Krisensitzung mit ihren engsten Ministern ein.
«Nein zur Korruption!»
In Brasília forderten die zumeist in den Landesfarben Grün und Gelb gekleideten Demonstranten Neuwahlen sowie den Rücktritt oder eine Amtsenthebung der 64-jährigen Staatschefin. «Dilma raus!» und «Nein zur Korruption!» stand auf Plakaten.
Laut Umfragen sind 66 Prozent der Brasilianer für eine Ablösung der linksgerichteten Präsidentin und der seit 2003 regierenden Arbeiterpartei, obwohl Rousseff erst vor knapp einem Jahr für eine zweite Amtszeit gewählt worden ist.
«Wir wollen, dass sich die Dinge ändern, aber wenn die Menschen nicht auf die Strassen gehen, wird nichts passieren», sagte der 77-jährige frühere Ingenieur Elino Alves de Moraes. Allein in der Hauptstadt nahmen nach Angaben der Organisatoren 45'000, nach Angaben der Polizei 25'000 Menschen an den Protesten teil.
In Rio herrschte unterdessen eine eher ausgelassene Stimmung wie beim Karneval. Aus Lautsprechern erklang Samba-Musik, viele Demonstranten trugen Badehosen und Bikinis und kamen mit ihren Surfboards offenbar direkt vom Strand. Ein Mann demonstrierte im Batman-Kostüm, andere trugen rote Clowns-Nasen. Doch war es ihnen mit ihren Forderungen nach einem Ende der Amtszeit Rousseffs und der Regierung ihrer Arbeiterpartei ebenso ernst wie den Demonstranten in Brasília.
Nicht die erste Massen-Demo
Zuletzt waren im April landesweit knapp 700'000 Menschen nach Polizeiangaben auf die Strassen gegangen, im März waren es über eine Million Menschen. Die Proteste richten sich vor allem gegen den Schmiergeldskandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobras, in dessen Mittelpunkt Dutzende Politiker der regierenden Arbeiterpartei stehen.
Gegen Rousseff selbst ermittelt die Justiz nicht - obwohl sie während eines grossen Teils des Zeitraums, in dem Politiker hohe Schmiergelder erhalten haben sollen, Chefin des Petrobras-Aufsichtsrates war.
Die Präsidentin war im vergangenen Oktober mit einer knappen Mehrheit von 51,6 Prozent wiedergewählt worden. Derzeit liegt ihre Zustimmungsrate gerade einmal noch bei acht Prozent. (SDA)