Der Kreuzfahrtveranstalter Hapag-Lloyd Cruises verspricht seinen Passagieren, sie könnten auf Spitzbergen «Arktis pur» erleben. «Wo Eisbären die Wildnis regieren», heisst es auf der Website, «bestimmt die Natur den Verlauf ereignisreicher Tage». Die zehntägige Reise gibts für den stolzen Preis von mindestens 6700 Franken.
Dass die Bären keine Kuscheltiere sind, musste ein deutsches Crew-Mitglied des Schiffs «Bremen» in Longyearbyen am eigenen Leib erfahren. Der Mann war am Samstag mit anderen bewaffneten Wächtern an Land gegangen, wo er unvermittelt von einem Tier angegriffen wurde. Ein zweiter Wächter habe das Tier dann erschossen – «aus Notwehr», wie der Veranstalter mitteilt. Normalerweise würden die Eisbären mit Schüssen in die Luft vertrieben, in diesem Fall haben die Wächter das Tier aber übersehen.
In den sozialen Medien hat der Vorfall Empörung ausgelöst, das Foto des toten Bären wird tausendfach geteilt. Der britische Komiker Ricky Gervais etwa schreibt auf Twitter: «Lasst uns einem Eisbären in seiner natürlichen Umgebung zu nahe kommen und ihn dann töten, wenn er zu nahe kommt. Deppen.» Ein anderer User kreiert die Schlagzeile: «Eisbär getötet, weil er sich wie ein wildes Tier verhalten hat.»
Klimawandel macht Eisbären zu schaffen
Ein Sprecher von Hapag-Lloyd Cruises versichert gegenüber der «New York Times», dass man den Vorfall «absolut bedauert» und dass keine Touristen zu Schaden kamen. Das Unternehmen sei sich «seiner Verantwortung bei Reisen in heikle Naturgebiete sehr bewusst» und respektiere Natur und Wildtiere.
Der Arktis-Tourismus hat Hochkonjunktur. Einerseits steigen die Temperaturen dort doppelt so schnell wie im Rest der Welt, was die Gegend für Touristen angenehmer macht. Der Ansturm dürfte auch damit zu tun haben, dass viele Leute die Arktis noch sehen möchten, bevor es möglicherweise zu spät ist. Das führt zu mehr Begegnungen zwischen Menschen und Eisbären – die nicht immer friedlich enden. Immer mehr Eisbären werden erschossen.
Dabei haben die es auch sonst nicht leicht. Durch die Klimaerwärmung schmilzt ihr Lebensraum, was dazu führt, dass die Nahrungsbeschaffung immer schwieriger wird. Eine aktuelle Studie zeigt, dass viele Eisbären mit Unterernährung kämpfen und Mühe haben, ihr Gewicht zu halten.
Verletzter Wächter ausser Lebensgefahr
Der verletzte Eisbärenwächter wurde am Kopf verletzt und sofort ins Spital geflogen. Er ist ansprechbar und ausser Lebensgefahr. «Er bleibt aber zur Beobachtung im Krankenhaus in Tromsø», sagte Veranstaltersprecherin Negar Etminan am Sonntag in Hamburg (D). Das Schiff habe seine Reise am Samstagabend fortgesetzt.
Ein Polizeibeamter auf Spitzbergen sagte, der Vorfall im nördlichsten Teil des Svalbard-Archipels werde untersucht. Der erschossene Bär solle in Longyearbyen obduziert werden. Die Behörden der Region warnen regelmässig vor der Gefahr, die von Eisbären ausgeht. Reisenden wird empfohlen, sich zum Schutz gegen die Tiere zu bewaffnen. Die letzte tödliche Attacke eines Eisbären geschah 2011, als ein britischer Student ums Leben kam. (rey)