Hunderttausende Kosovaren fanden eine neue Heimat in der Schweiz. Aber nur eine Handvoll Schweizer hat den umgekehrten Weg gewählt: Sie liessen ihr sicheres Leben zurück, entschieden sich stattdessen für ein Abenteuer im Kosovo. Manche gehen noch einen Schritt weiter, wollen sogar den kosovarischen Pass!
BLICK hat drei Beispiele im Kosovo und der Schweiz aufgespürt. Was zieht die Helvetier in den jungen Balkanstaat? Die Gründe sind unterschiedlich: Rentnerin Elisabeth Küchler (76) ging ursprünglich wegen der tiefen Preise nach Kosovo. Vermögensverwalter Patrik Spiess (43) ist seit Jahren mit einer Kosovarin liiert – und will darum die kosovarische Staatsbürgerschaft. Und der Ex-Beamte Andreas Wormser (59) hat im Kosovo kurzerhand sein eigenes Hotel eröffnet.
Elisabeth Küchler (76) - In Thailand war es der Rentnerin zu heiss
Rentnerin Elisabeth Küchler (76) aus Luzern wanderte vor fünf Jahren in den Kosovo aus. «Ich bin ein Wirtschaftsflüchtling», erklärt die alte Dame auf der Terrasse ihres Hauses. «Mit 1800 Franken Rente kann ich in der Schweiz nicht überleben. Und Thailand war mir zu heiss.»
Im Baugeschäft, wo Küchler zuletzt arbeitete, witzelten kosovarische Arbeitskollegen: Sie solle doch stattdessen in den Kosovo kommen! Die 76-Jährige kontaktiert sofort einen Architekten, kauft ein Stück Land. «Als die verstanden, dass ich es wirklich durchziehen will, haben sie mich für verrückt erklärt», erzählt Küchler. Ihr Leben hat die Rentnerin komfortabel eingerichtet. Sie wohnt in einem grossen Haus, hat eine Putzfrau, kennt alle im Dorf. «Ich bin bekannt wie ein bunter Hund.» Nur die Einsamkeit nagt: «Das Lernen einer neuen Sprache ist für mich praktisch unmöglich – in meinem Alter. Und Schweizer gibt es in der Region nicht wirklich.»
Plötzlich fallen Schüsse. Ganz nah! Kein Grund für Küchler, das Cüpliglas abzustellen. Dem verdutzen Journalisten erklärt sie: «Es ist eben Hochzeitssaison. Das sind Freudenschüsse!» Sie habe sich daran gewöhnt, meint die Auswanderin. Nur am 31. Dezember bleibe sie zu Hause: «Da ist mir das Geballer zu viel.»
Zurück in die Schweiz will Küchler übrigens «nur in der Kiste». Denn: Ein Begräbnis im Kosovo kann sie sich nicht vorstellen. «Ich bin stockkatholisch – daran ändern auch die Kosovaren nichts!»
Patrik Spiess (43) - Aus Liebe zu seiner Frau will er Kosovare werden
Vermögensverwalter Patrik Spiess (43) aus Richterswil ZH will Kosovare werden. Konkret: Der Schweizer hat um die kosovarische Staatsbürgerschaft ersucht. Und sorgte damit bei den Beamten des jungen Staates für ungläubiges Kopfschütteln. «Dass Kosovaren den Schweizer Pass wollen, ist normal. Dass ein Schweizer aber die Kosovo-Staatsbürgerschaft will, kommt sehr selten vor. Ich dachte zuerst, ich habe mich verlesen», so ein Angestellter der Behörde.
Gegenüber BLICK erklärt Spiess: «Ich bin seit 20 Jahren mit meiner Frau Mirjete (38), die aus dem Kosovo stammt, zusammen. Ausserdem habe ich mich beruflich auf Schwellenländer spezialisiert.» Mit der Einbürgerung wolle er dem Heimatland seiner Frau Respekt zollen.
Leicht wird es dem Schweizer auf dem Weg zum Kosovo-Pass nicht gemacht: «Ich habe zwar schon einen Ausländerausweis bekommen – bis ich den Pass habe, dürften aber noch zwei Jahre vergehen.» Spiess macht sich langfristige Gedanken: «Irgendwann wird der Kosovo der EU beitreten. Dann wird aus meinem Kosovo-Pass ein EU-Pass.»
Statistisch gesehen, führen Patrik und Mirjete Spiess eine Hochrisiko-Ehe. Bei schweizerisch-kosovarischen Ehen ist die Scheidungsrate höher als bei allen anderen binationalen Ehen. «Klar gibt es kulturelle Unterschiede, gerade punkto Familienzusammenhalt», meint Ehefrau Mirjete. Und lacht: «Mein Vater wollte nicht unbedingt einen albanischen Schwiegersohn. Jetzt bekommt er doch einen.»
Andreas Wormser (59) – vom Beamten zum Kosovo-Hotelier
Der Zürcher Auswanderer Andreas Wormser liess 2009 alles zurück. Er kündigte seine sichere Stelle beim Bund, verabschiedete sich von seiner Ehefrau – und wanderte in den Kosovo aus. «Die Leute haben eher mit Unverständnis reagiert», resümiert Wormser trocken.
Seither hat er das Hotel Graçanica ausserhalb der Hauptstadt Pristina aufgebaut – mitten in einer serbischen Nachbarschaft. «Es braucht schon Überzeugungsarbeit, dass auch die Albaner hierherkommen», so Wormser. Finanziell ist das Hotel mit 15 Zimmern noch kein Erfolg: «Unsere Auslastung beträgt 23 Prozent», rechnet der Hotelier. «Zu wenig.»
Die Kosten des Projekts sind dafür explodiert. 14 Monate wartete Wormser alleine auf die Baubewilligung – auch weil er sich weigerte, Bestechungsgelder zu bezahlen: «Ich war 20 Jahre Beamter, da kann ich doch niemanden bestechen», lacht er.
Seinen Lebensabend will der Zürcher nicht im Kosovo verbringen. «Ich würde meine Ehefrau schon gerne öfter sehen.» Das einzige Problem: Ein Nachfolger für die Leitung des Hotels ist noch nicht in Sicht.
Die Schweiz und der Kosovo sind untrennbar miteinander verbunden. Zehn Prozent der Bevölkerung des Balkanstaats leben in der Schweiz – etwa 200'000 Menschen. Der Kosovo wäre ohne die Schweiz ein anderes Land. Wir waren unter den Ersten, die die staatliche Unabhängigkeit des Kosovo anerkannten. Und jedes Jahr fliessen Millionen Franken von der Schweiz Richtung Pristina.
Während die Schweiz für viele Kosovaren zur neuen Heimat wurde, ist der Kosovo für viele Schweizer ein weisser Fleck auf der Landkarte. BLICK hat das Land bereist – und startet heute die grosse Serie zum «Kanton Kosovo».
Die Schweiz und der Kosovo sind untrennbar miteinander verbunden. Zehn Prozent der Bevölkerung des Balkanstaats leben in der Schweiz – etwa 200'000 Menschen. Der Kosovo wäre ohne die Schweiz ein anderes Land. Wir waren unter den Ersten, die die staatliche Unabhängigkeit des Kosovo anerkannten. Und jedes Jahr fliessen Millionen Franken von der Schweiz Richtung Pristina.
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