Die Uhr tickt unermüdlich: Grossbritannien wird die EU am 29. März 2019 verlassen. Ob mit oder ohne Deal. Für eine Einigung bleiben nur noch wenige Wochen Zeit. Denn der Deal muss bis spätestens im Dezember stehen, um die Ratifizierung durch die Parlamente auf beiden Seiten rechtzeitig vor dem Brexit-Datum zu ermöglichen.
Jetzt ist es am Dienstagabend zu einem Verhandlungsdurchbruch gekommen. Die Brexit-Unterhändler Grossbritanniens und der EU haben sich auf den Entwurf eines Austrittsabkommens geeinigt. Das bestätigte das Büro von Premierministerin Theresa May mit. Doch damit ist der Weg noch lange nicht frei für den geregelten Austritt Grossbritanniens aus der EU. BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen zum Brexit-Wirrwarr:
Was wurde am Dienstagabend beschlossen?
Rein gar nichts. Die Brexit-Unterhändler von der Insel und der Europäischen Union haben sich auf einen Entwurf eines Austrittsabkommens geeinigt. Dieser soll etwa 400 Seiten umfassen. Was genau darin steht, ist noch unklar. Premierministerin Theresa May lud ihre Minister noch zu später Stunde zu Einzelgesprächen in den Regierungssitz ein, um ihnen Einblick in das Entwurfsdokument zu geben.
Wie fallen die Reaktionen in Grossbritannien aus?
Der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn äusserte sich skeptisch. Es sei «unwahrscheinlich», dass dies ein gutes Abkommen für Grossbritannien sei, sagte der Labour-Chef. Auch die nordirische Democratic Unionist Party (DUP), auf deren Stimmen May im Parlament angewiesen ist, meldete Zweifel an.
Was sagt die EU?
Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, hat den Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen bestätigt. «Ja, der weisse Rauch steigt auf. Wir haben positive Signale, dass es nach Wochen und Monaten der quälenden Debatten jetzt endlich zu einer Einigung kommt», sagte Weber am Dienstagabend im deutschen Fernsehen. Frankreichs Europaministerin Nathalie Loiseau erklärte, bei den Brexit-Verhandlungen seien endlich «wesentliche Fortschritte» erzielt worden. Der Entwurf müsse nun genau geprüft werden, um ein Abkommen «im Interesse der EU» zu erreichen.
Wie geht es jetzt weiter?
Schon heute Mittwoch wissen wir, ob es sich tatsächlich um einen langersehnten Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen handelt oder ob Theresa May eine schmerzhafte Niederlage hinnehmen muss. May hat ihr Kabinett für 14 Uhr (Ortszeit) zu einer ausserordentlichen Sitzung einbestellt, um sie auf den Entwurf einzuschwören. Gelingt es May, eine grosse Mehrheit ihrer Regierung hinter sich zu bringen, könnte es schon am 25. November zu einem EU-Sondergipfel kommen. Falls nicht, wird es für May sehr eng.
Wie sieht der Entwurf aus?
Am problematischsten ist die Frage, wie nach dem Brexit Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden können. Die EU besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen geben wird. Der sogenannte Backstop stösst aber auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und der DUP.
Nun haben sich beide Seiten wohl auf einen Kompromiss geeinigt. Medienberichten zufolge sieht der Plan vor, dass ganz Grossbritannien im Notfall in der Europäischen Zollunion bleiben soll. Für Nordirland sollen demnach aber «tiefergehende» Bestimmungen gelten. Beides dürfte auf Widerstand im Parlament stossen. Die Brexit-Hardliner bei den Konservativen fordern, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten darf. Die DUP sträubt sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands. Und auf die Nationalisten ist May letztlich angewiesen, wenn sie im Dezember den Deal durchbringen will.
Was passiert, wenn Grossbritannien und die EU keine Einigung erzielen?
Für den Fall eines Scheiterns der Brexit-Verhandlungen hatte die EU-Kommission am Dienstag einen Notfallplan verabschiedet. Er enthält «Notfallmassnahmen in vorrangigen Bereichen» wie dem Luftverkehr oder bei Aufenthalts- und Visafragen, wie die EU-Behörde mitteilte. Der Notfallplan soll laut EU-Kommission auch Gebiete wie Finanzdienstleistungen, Hygiene- und Pflanzenvorschriften, die Übermittlung personenbezogener Daten sowie die Klimapolitik umfassen.
«Wir arbeiten sehr hart daran, eine Vereinbarung mit dem Vereinigten Königreich zu erzielen», sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans in Strassburg. «Wir machen Fortschritte, aber wir sind noch nicht am Ziel.» Es sei die Pflicht der EU, sich «auf alle Ergebnisse» der Brexit-Verhandlungen vorzubereiten.