Kann Donald Trump die US-Wahl stoppen?
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Die sieben wichtigsten Fragen und Antworten zur Stimmenauszählung
Kann Donald Trump die US-Wahl stoppen?

Donald Trump hat sich selbst zum Sieger ausgerufen – und will den Supreme Court mobilisieren. Das entsetzt selbst republikanische Experten.
Publiziert: 05.11.2020 um 07:30 Uhr
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Aktualisiert: 06.11.2020 um 09:20 Uhr
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US-Präsident Donald Trump hat sich selbst zum Sieger erklärt.
Foto: imago images/UPI Photo
Andrea Cattani und Fabienne Kinzelmann

Die US-Wahl ist eine Zitterpartie. Und könnte zur juristischen Schlammschlacht werden – denn Donald Trump (74) will vor Gericht. «Ich will, dass die Auszählung jetzt gestoppt wird. Es dürfen jetzt keine Stimmen mehr hinzukommen. Wenn es sein muss, gehen wir dafür bis zum Supreme Court», sagte der US-Präsident in einer verfrühten Siegesrede in der Nacht auf Mittwoch (Ortszeit). Die Verzögerungen bei der Auszählung seien schlicht ein «Betrug».

Im Laufe des Mittwoch wiederholte er seine Vorwürfe. Sein am Dienstagabend noch bestehender Vorsprung sei in einem Bundesstaat nach dem anderen «auf magische Weise verschwunden», schrieb er etwa auf Twitter. Im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania werde «hart daran gearbeitet», schnell eine halbe Million Stimmen «verschwinden zu lassen», schrieb er an anderer Stelle.

Twitter versah mehrere Nachrichten mit Warnhinweisen wegen «möglicherweise irreführender» Aussagen. Biden bekräftigte: «Wir ruhen nicht, ehe nicht jede Stimme gezählt ist.»

Was macht Trump gegen den angeblichen Wahlbetrug?

Da es bei der US-Post Verzögerungen gab, sollen in Pennsylvania noch Briefwahlunterlagen gültig sein, die bis zum Nachmittag am Freitag ankommen. Trump und die Republikaner ziehen erneut dagegen vor Gericht. Vor der Wahl hatte das Oberste Gericht der USA die Regelung zwar zugelassen. Drei Konservative unter den insgesamt neun Richtern zeigten sich aber offen dafür, das Thema nach der Wahl noch einmal aufzugreifen.

Trump klagte auch in anderen Bundesstaaten. In Michigan will er die Auszählung aussetzen lassen, bis seine Beobachter näher an die auswertenden Mitarbeiter heran dürfen. In Wisconsin verlangt Trump eine Neuauszählung angesichts eines knappen Rennens. In beiden Staaten hat – Stand Donnerstagmorgen – Joe Biden gewonnen.

Warum macht Trump das?

Die Briefwahlstimmen verschlechtern seine Chancen. Mehr als 100 Millionen Menschen hatten vorab bereits abgestimmt – mehr als zwei Drittel davon per Briefwahl. In vielen Staaten werden diese Stimmen erst ab dem Wahltag erfasst. Erwartet wird, dass die Briefwahlstimmen mit einer überwältigenden Mehrheit an die Demokraten gehen: Das Verhältnis zwischen per Briefwahl wählenden Demokraten und Republikanern liegt etwa bei 3:2, dazu kommen unabhängige registrierte Wähler. In Pennsylvania etwa, wo Trump am Mittwochmorgen um rund elf Prozentpunkte vorne lag, deuten Prognosen darauf hin, dass Biden durch noch nicht ausgezählte Briefwahlstimmen locker aufholen kann.

Kann Trump die Wahl stoppen?

Die Stimmenauszählung an sich kann er nicht einklagen oder stoppen. Trump müsste konkrete Vergehen vorweisen und Anhaltspunkte liefern. Andeutungen dieser Art machte der US-Präsident bereits in seiner Rede. Dort sagte er vorwurfsvoll: «Wir wollen nicht, dass da nachts um 4 Uhr plötzlich noch irgendwelche Stimmzettel auftauchen.»

Hat die Briefwahl ein Betrugsproblem?

Nein. Zahlreiche Studien weisen laut der BBC nur auf Einzelfälle hin – und diese sind gut dokumentiert. Die Betrugsrate bei der Stimmabgabe liegt in den USA laut einer Studie des Brennan Center for Justice von 2017 bei weniger als 0,0009 Prozent. Ein Vorfall: Die Vorwahl 2018 in North Carolina musste erneut durchgeführt werden, nachdem ein Berater des republikanischen Kandidaten die Wahlzettel manipuliert hatte.

Ist der US Supreme Court überhaupt zuständig?

Beantragt einer der Kandidaten etwa eine Neuauszählung von Stimmen, entscheidet zuerst das Bundesgericht im jeweiligen Bundesstaat. Erst gegen dessen Entscheidung könnte vor dem Obersten Gerichtshof geklagt werden. Selbst in diesem Fall wäre aber nicht restlos klar, ob die dortigen Richter wirklich zuständig sind.

Gab es das schon mal?

Ja. Bei George W. Bush gegen Al Gore im Jahr 2000 machten 537 Stimmen in Florida am Ende den Unterschied. Der Supreme Court hatte sich dafür zuständig erklärt, die Entscheidung der Justiz in Florida für eine Neuauszählung zu überprüfen – und stoppte sie. Der Supreme Court stellte aber auch klar, dass dies kein Präzedenzfall gewesen sei und bei jedem neuen Fall wieder neu beurteilt werden müsse.

Was sagen Experten zu Trumps Ankündigung?

Sie sind grösstenteils entsetzt. Es sei «viel zu früh», um einen Sieger auszurufen, sagte etwa die ehemalige Bush-Pressesprecherin Dana Perino (48) auf Fox News. Auch der republikanische Wahl-Rechtler Ben Ginsberg (68), der bei der umstrittenen Wahl im Jahr 2000 eine zentrale Rolle spielte, verurteilte Trumps Versuche, die Stimmenauszählung zu stoppen. «Es ist ein beunruhigender Moment für mich als langjährigen Republikaner, einen Aufruf zur Entrechtung so vieler Menschen zu sehen», sagte Ginsberg auf CNN. Denn: Trumps Aussagen entbehrten jeder rechtlichen Grundlage.

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