Die russische Justiz erwägt Ermittlungen wegen Mordes gegen den früheren Oligarchen und Oppositionellen Michail Chodorkowski. Das einflussreiche russische Ermittlungskomitee erklärte am Dienstag, es lägen neue Beweismittel im Fall des 1998 ermordeten Bürgermeisters im sibirischen Neftejugansk, Wladimir Petuchow, vor.
Es könne sein, dass Chodorkowski «diesen Mord und eine Reihe weiterer schwerer Verbrechen persönlich angeordnet hat», erklärte Komitee-Sprecher Wladimir Markin. Daher sei der Fall wieder aufgerollt worden.
Zu den zusätzlichen Vorwürfen gegen den Kreml-Kritiker machte das Ermittlungskomitee keine Angaben. Die Ermittler wollen nun im Fall Petuchow eine Reihe von Zeugen und Verdächtigen vernehmen. Chodorkowski werde «sehr wahrscheinlich» auch darunter sein, hiess es. Dass er sich im Schweizer Exil aufhalte, sei dabei kein Hindernis.
Chodorkowski, einst Russlands reichster Mann, reagierte mit Sarkasmus auf die neuerlichen Vorwürfe. Markin möge bitte klarstellen, ob es sich dabei um eine «Reaktion auf ein Urteil in Den Haag oder auf eine Reihe von Artikeln zur Zukunft Russlands nach (Präsident Wladimir) Putin» handle, schrieb er im Internetdienst Twitter.
Er spielte damit auf ein Urteil des Ständigen Schiedsgerichtshofs in Den Haag an. Dieser hatte Russland 2014 wegen der Zerschlagung von Chodorkowskis Yukos-Konzern zur Zahlung von 50 Milliarden Dollar an die früheren Anteilseigner verurteilt.
Chodorkowskis Anwalt bezeichnete die neuerlichen Vorwürfe als «Phantasie», seine Sprecherin sprach von einer «Form von Sommer-Wahnsinn».
Markin reagierte wiederum auf Chodorkowskis Äusserung und erklärte, das Ermittlungskomitee sei an Politik nicht interessiert. Kriminelle Machenschaften Chodorkowskis seien «nicht unser Fehler», erklärte der Sprecher des Ermittlungskomitees.
Als Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos war Chodorkowski 2003 festgenommen und später wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu jahrelanger Lagerhaft verurteilt worden. Die Prozesse gegen Chodorkowski wurden vom Westen als politisch motiviert kritisiert.
Nach seiner Begnadigung reiste er zunächst nach Berlin aus, bevor er in die Schweiz ging. Im vergangenen Jahr rief er die Oppositionsbewegung Offenes Russland ins Leben, die sich für Rechtsstaatlichkeit und freie Wahlen in dem Land einsetzt. (SDA)