Die Krieger laufen davon
Syrien kämpft mit Plakaten gegen den Exodus

Den Kriegsparteien in Syrien laufen die Kämpfer davon. Mit Werbung und Drohungen versuchen Regime, Rebellen und die Terrormiliz IS den Flüchtlingsstrom nun zu bremsen.
Publiziert: 09.09.2015 um 11:17 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:22 Uhr
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Der seit über vier Jahren tobende Bürgerkrieg in Syrien schlägt sich in der Bevölkerungsstatistik des Landes nieder. Die Einwohnerzahl ist seit Ausbruch des blutigen Konflikts um fast einen Viertel geschrumpft. Zählte das Land 2010, vor Ausbruch des blutigen Konflikts, noch rund 22,5 Millionen Einwohner, lebten im vergangenen Jahr laut Zahlen des «CIA Factbooks» nur noch etwa 17 Millionen Menschen im Staat.

Vier Millionen Syrer sind als Flüchtlinge registriert, vornehmlich in der Türkei, dem Libanon und Jordanien. Für viele von ihnen ist die Reise dort allerdings längst nicht zu Ende. Sie wollen nach Europa, viele am liebsten nach Deutschland. Zehntausende haben das Zielland Nummer 1 in den vergangenen Tagen erreicht.

Während der Flüchtlingsstrom in der EU die Dublin-Verordnung zum toten Buchstaben verkommen lässt und über eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge debattiert wird, beklagen die Kriegsparteien in Syrien die andere Seite des Exodus'. Ihnen laufen die Kämpfer davon.

Assad gibt Personalmangel in Armee zu

Das syrische Regime hat auf die Abwanderung bereits vor einigen Monaten reagiert. Herrscher Baschar al-Assad lancierte eine PR-Kampagne, um die Bürger zum Wehrdienst zu bewegen. «Die Armee braucht Sie», steht auf Plakaten, die in den von den Regierungstruppen gehaltenen Gebieten hängen.

In einer Rede Ende Juli hatte Assad erstmals öffentlich zugegeben, dass die Armee an Personalmangel leidet. «Es fehlt an Personalressourcen», sagte er während einer Fernsehansprache und kündigte eine Generalamnestie für alle Deserteure und Militärdienstverweigerer an, sollten sie zurückkehren. Viele von ihnen hatten der Armee wegen der grossen Anzahl Todesopfer unter den Truppen die Gefolgschaft verweigert.

«Wo gehen Sie hin?»

Doch nicht nur in von der Regierung kontrollierten Regionen, auch in Kurden-, anderen Rebellen- und vom IS beherrschten Gebieten herrscht ein Mangel an Kämpfern, denen die Kriegsparteien nun mit Werbekampagnen zu begegnen versuchen. Jenan Moussa, Korrespondentin des arabischen Fernsehsenders Al Aan TV, die regelmässig aus Syrien berichtet, hat mehrere Plakate fotografiert, die sich an die Fliehenden wenden.

«Wo gehen Sie hin? Lehrer wandern nicht aus», steht ihren Angaben zufolge auf einem Banner im von Rebellen gehaltenem Gebiet an der Grenze zur Türkei. Auf einem weiteren Plakat soll es heissen: «Ärzte wandern nicht aus. Mein Sohn ist krank, er braucht Sie.»

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IS droht Fliehenden

Die Terrormiliz Islamischer Staat beschränkt sich derweil nicht auf flehende Worte. Sie droht den Bewohnern des von ihnen kontrollierten Gebiets, berichtet Moussa. «Warnung an Ärzte und Apotheker, die das Kalifat verlassen. Kehrt zurück oder wir konfiszieren Ihr Eigentum», zitiert die Reporterin aus einem Dokument des IS. Besonders sauer stosse den Schlächtern auf, dass die Bürger in nicht-muslimische Länder fliehen, berichtet sie.

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Dass die PR-Massnahmen und Drohgebärden Wirkung zeigen, ist allerdings zu bezweifeln. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) rechnet damit, dass alleine bis Ende Jahr Hunderttausende weitere Syrer aus dem kriegsversehrten Land fliehen werden. (lha)

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