Die Grenzen verschwinden
Wachsen Kosovo und Albanien heimlich zusammen?

Die Idee eines Grossalbaniens macht wieder die Runde. Die Gegner beobachten die schrittweise Annäherung Albaniens und Kosovos mit Angst und Misstrauen.
Publiziert: 07.08.2018 um 14:57 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 23:17 Uhr
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Die Idee eines «natürlichen Albaniens» nimmt wieder an Fahrt auf.
Foto: UIG via Getty Images

Weitgehend unbemerkt vom Ausland nähern sich Albanien und das fast nur noch von Albanern bewohnte Kosovo mit grossen Schritten an. Die Vorschläge für einen gemeinsamen Staatspräsidenten verschwanden nach internationalem Aufschrei noch schnell wieder in der Schublade. 

Doch die Schaffung einer gemeinsamen Zollbehörde ist schon umgesetzt. Und der Wegfall der Grenzen zwischen den Nachbarn von Januar 2019 an versetzen die anderen Völker auf dem Balkan in Schrecken. Denn das seit Jahrzehnten schlafende Projekt eines «Natürlichen Albaniens» erhebt Ansprüche auf Gebiete in diesen Nachbarländern, wo Albaner wohnen.

Zusätzlichen Wind in die Segel bekam das Projekt in den vergangenen Tagen durch Kosovos Staatspräsidenten Hashim Thaci. Er verlangt inzwischen gebetsmühlenartig «Grenzkorrekturen«, also «die Vereinigung des Presevo-Tals mit dem Kosovo». 

Es geht um sechs Millionen Menschen

In diesem Gebiet um die Städte Presevo, Bujanovac und Medvedje in Südserbien leben nach Schätzungen bis zu 100'000 Albaner. Sie fühlen sich seit langem von Belgrad zurückgesetzt. Diese «Grenzkorrektur» sei «machbar» und notwendig, «weil es Serbien nicht geschafft hat, ihnen Minderheitenrechte zu garantieren«, begründet Thaci seine Position.

Welche Gebiete würde ein Grossalbanien umfassen, das sowohl von der EU als auch von den USA strikt abgelehnt wird? Kernstück wären die heutige Republik Albanien und das Kosovo. Daneben leben noch in Mazedonien eine halbe Million Albaner, plus die Landsleute in Südserbien und einige Zehntausende in Montenegro. 

Auch auf Regionen in Griechenland haben es die grossalbanischen Theoretiker wie Koco Danaj in Tirana abgesehen, obwohl Griechenland keinen einzigen Albaner offiziell als Teil einer Minderheit anerkennt. Alles in allem geht es um an die sechs Millionen Menschen.

«Alle Balkanländer haben Grund zur Sorge»

Der deutsche Albaner-Experte Andreas Wildermuth sieht das gelassen. Albanien und das Kosovo wollten «unterhalb der formalen Vereinigung soviel Einheit wie möglich schaffen», sagt er der Nachrichtenagentur DPA. Das sei «ein legitimes Ziel, weil man ihnen nicht Regelungen verwehren kann, die in der EU Standard sind«.

Das sieht vor allem Serbien ganz anders, das auch zehn Jahre nach der Abspaltung von Kosovo seine frühere Provinz wieder zurückhaben will. «Tirana und Pristina schaffen ein Grossalbanien», prangte vor wenigen Tagen auf dem Titel der serbischen Regierungszeitung «Politika«. 

»Alle Balkanländer haben Grund zur Sorge«, kritisierte Verteidigungsminister Aleksandar Vulin. Die Idee sei «ein Unglück», das mit allen Kräften verhindert werden müsse. Dagegen tourte Ideologe Danaj in den letzten Jahren durch die beanspruchten Gebiete mit dem Slogan «Die albanische Frage ist noch nicht gelöst«.

Vergleichbar mit den Kurden

Die Albaner sind als sogenannte verspätete Nation auf viele Staaten aufgeteilt. Manchmal wird ein Vergleich mit den Kurden gezogen. Jahrhundertelang lebten sie unter dem Osmanischen Reich und kamen erst vor gut 100 Jahren zum eigenen Staat. 

Was sie eint, ist neben der Sprache die Verehrung ihres mittelalterlichen Heerführers Gjergj Kastrioti, genannt Skanderbeg, der im 15. Jahrhundert den Widerstand gegen die Osmanen mit zeitweiligen Erfolgen organisierte.

Ihm werden in vielen albanischen Siedlungsgebieten heute Denkmäler errichtet. Gerade ist eines in der montenegrinischen Stadt Ulcinj in Planung, die mehrheitlich ebenfalls von Albanern bewohnt wird.

Der kosovarische Nelson Mandela

Die zweitstärkste Partei im Kosovo, die Vetevendosje (Selbstbestimmung), hat die Vereinigung aller Albaner zum Programm erhoben. Ende Juli starb im Kosovo mit 82 Jahren eine Symbolfigur dieser Bestrebungen: Adem Demaci war als Vordenker im alten Jugoslawien 28 Jahre politischer Gefangener. 

Demaci galt vielen als «Nelson Mandela Kosovos». 1991 hatte er den Sacharow-Preis des EU-Parlaments erhalten. Führende Kosovo-Politiker versicherten bei seiner Bestattung, sie seien den Ideen des «Vaters der Nation» verpflichtet. (SDA)

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