Die Geschichten hinter den César-Bildern
Das sind die Toten aus Assads Folter-Gefängnissen

Die Bilder sind schwer zu ertragen. Die Menschen auf den César-Bildern wurden gefoltert und starben an den Folgen. Jetzt erzählt Human Rights Watch die Geschichten hinter einiger der Toten aus Assads Geheim-Gefängnissen.
Publiziert: 16.12.2015 um 21:03 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 12:03 Uhr
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Rehab Al-Allawi war die einzige Frau auf den von HRW analysierten César-Bildern.
Foto: HRW

Rehab Al-Allawi lächelt schüchtern in die Kamera. Sie trägt ein schwarzes Kopftuch und ein pinkes Oberteil. Auf einem anderen Bild liegt Rehab am Boden, die Augen sind geschlossen. Das Kopftuch ist weg. Rehab ist tot. Gestorben in einem von Baschar Al-Assads Geheimgefängnissen – vermutlich an den Folgen von Folter und Unterernährung.

Das Bild der toten Rehab ist eines von über 53'000 Beweisfotos des ehemaligen Militär-Fotografen «César», der im August 2013 aus Syrien geflohen war. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat die Fotos Tausender Folteropfer in Gefängnissen analysiert und prangert die syrische Regierung wegen schwerer Verbrechen an.

«Wir haben akribisch Dutzende Schicksale geprüft und sind uns sicher, dass die Bilder von 'César' ein authentischer und belastender Beweis für Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind», erklärte HRW heute.

Rehab kümmerte sich um Flüchtlinge aus der zerbombten Stadt Homs. Nach ihrer Verhaftung teilte man ihrer Familie mit, sie sei an einem Schlaganfall gestorben. Doch es stellte sich heraus, dass dies nicht stimmte. Rehab lebte noch. Und gegen eine Zahlung von 82'000 Euro würde man sie freilassen. Man versprach der Familie, sie in den Libanon zu bringen. Doch dort kam sie nie an. Ein Cousin erkannte sie später auf den César-Bildern.

Die Bilder zeigen die Leichen von etwa 6000 syrischen Gefangenen, viele wiesen schwere Folterspuren auf.

Einigen Häftlingen wurden die Augen ausgestochen, andere hatten Verletzungen am Rücken oder am Bauch, viele waren stark abgemagert. Der desertierte Fotograf der Militärpolizei stellte die Bilder damals ins Internet, um verzweifelten Angehörigen bei der Suche nach den Verschwundenen zu helfen.

HRW prüfte nun mehr als 28'000 der Fotos im Detail und identifizierte 27 Opfer. Vertreter der Menschenrechtsorganisation sprachen mit Dutzenden Angehörigen und früheren Mitgefangenen sowie mit einigen früheren Wärtern, die mittlerweile desertiert sind.

Ahmad war erst 14 Jahre alt, als er gefangen wurde. Das Militär fand auf seinem Handy einen Anti-Assad-Song. Sein Onkel suchte über drei Jahre nach ihm. Vergebens. Als die César-Fotos veröffentlicht wurden, erkannte er seinen Neffen wieder.
Foto: HRW

Einer der Getöteten ist demnach Ahmad al-Musalmani, der 2012 im Alter von nur 14 Jahren festgenommen worden war, weil er ein regierungskritisches Lied auf seinem Handy hatte. Er starb später in Haft.

Ahmads Onkel Dahi al-Musalmani versuchte jahrelang, seinen Neffen zu finden und zahlte umgerechnet rund 14'000 Franken an Bestechungsgeldern für seine angebliche Freilassung. Als er seinen Neffen schliesslich tot auf einem der Bilder erkannte, sei dies der «Schock des Lebens» gewesen, sagte er HRW. «Ich habe 950 Tage nach ihm gesucht. Als seine Mutter starb, sagte sie mir: 'Ich lasse ihn unter Deinem Schutz zurück.'»

HRW rief die Länder, die an einer Friedenslösung für den Bürgerkrieg in Syrien beteiligt sind, auf, sich vor allem auch um die Gefangenen im Land zu kümmern. Russland und der Iran trügen dabei eine «besondere Verantwortung». Beide Länder unterstützen die syrische Führung unter Machthaber Baschar al-Assad. (kab/SDA)

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