Trümmer, Tote, Verletzte. Der Hafen von Beirut und Umgebung sieht aus wie ein Kriegsgebiet. Die Mega-Explosion hat die libanesische Hauptstadt schlimm verwüstet. Als Jessica Mor-Camenzind (50) aus Meilen ZH die Bilder aus ihrer Heimat sieht, kann sie es kaum fassen. Dort wo plötzlich ein Feuerball am Dienstagabend detoniert und eine Schneise der Zerstörung hinterlässt, leben Familie und Freunde der 50-Jährigen.
Angst schnürt ihr die Kehle zu. Panik macht sich breit. Sofort meldet sie sich bei ihrer Familie. Dann folgt der Schock: «Ich hatte einen Zusammenbruch, als ich erfahren habe, dass eine meiner Cousinen schwer verletzt ist», sagt die Geschäftsführerin mehrerer gemeinnütziger Organisationen gegenüber Blick TV. Denn die Katastrophe traf auch das Viertel, in dem ihre Familie lebt. Die beste Freundin ihrer Cousine, die mit ihr in der Wohnung war, überlebte die Explosion nicht.
Der Libanon steckt in einer schweren wirtschaftlichen Krise. «Anfang 2020 ist das Land völlig kollabiert», sagt Mor-Camenzind. Nun werde aber alles noch schlimmer, als es schon ist.
Mega-Explosion war offenbar Unfall
Wie es zu dieser Mega-Explosion überhaupt kommen konnte, ist noch unklar. Vieles spricht für einen Unfall. Im Verdacht: 2750 Tonnen Ammoniumnitrat. Die gefährliche und hochexplosive Substanz wurde offenbar jahrelang ohne Sicherheitsvorkehrungen im Hafen von Beirut gelagert. Hinweise auf einen Anschlag oder einen politischen Hintergrund gibt es bislang nicht.
Ammoniumnitrat, das auch zur Herstellung von Sprengsätzen dient, kann bei höheren Temperaturen detonieren. Die Substanz dient zum Raketenantrieb und vor allem zur Herstellung von Düngemittel. Die farblosen Kristalle befanden sich auch in dem Gefahrgutlager der chinesischen Hafenstadt Tianjin, wo 2015 nach einer Serie von Explosionen 173 Menschen getötet wurden.
Riesige Pilzwolke am Himmel
Der Stoff könnte von einem Frachtschiff stammen, dem libanesische Behörden laut Berichten im Jahr 2013 wegen verschiedener Mängel die Weiterfahrt untersagt hatten. Das Schiff war demnach von Georgien aus ins südafrikanische Mosambik unterwegs. Der Besatzung gingen dann Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff offenbar auf.
Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schliesslich die Ausreise genehmigt. Das Schiff blieb zurück mit der gefährlichen Ladung, die in einem Lagerhaus untergebracht wurde. (jmh/bra/SDA)