Das Geschehen auf der britischen Politbühne erinnert an Shakespeares Tragödien, an «Hamlet», «Macbeth», «King Lear»: Beim Ringen um die Macht sind am Ende alle tot. Wie konnte es so weit kommen? Ein Drama in fünf Akten.
I Das Versprechen
Vor den Parlamentswahlen 2015 hat der damalige Premierminister David Cameron (50) ein Problem: Die rechtspopulistische Ukip gräbt ihm den rechten Rand seiner Wähler ab, während die EU-Feinde in der eigenen Partei rebellieren.
Um seine Macht zu sichern, spielt er mit dem Feuer – und gibt ein fatales Versprechen: Das britische Volk soll 40 Jahre nach der letzten Abstimmung endlich über die EU-Frage entscheiden. «Es ist Zeit, dass das britische Volk mitreden kann», sagt er. «Es ist Zeit, die EU-Frage ein für alle Mal zu klären.»
II Sturm am Horizont
Nach seiner Wiederwahl hält er Wort. Am 23. Juni 2016 soll das Land über den Brexit abstimmen. Es ist tief gespalten. Cameron plädiert für den EU-Verbleib. Doch seine Kampagne verläuft miserabel, ohne Enthusiasmus, mit viel Angstmacherei. Auch die linke Labour-Partei unter Jeremy Corbyn (68) führt nur eine halbherzige Pro-EU-Kampagne.
Auf der anderen Seite touren Ukip-Anführer Nigel Farage (53) und der Ex-Bürgermeister Londons, Boris Johnson (52), mit ihren Brexit-Bussen lügend durchs Land. Es sind stürmische Tage.
III Brexit
Am 23. Juni kommt es zum Donnerschlag: Die Briten sagen Ja zum Brexit. Die EU ist in ihren Grundfesten erschüttert, die Euroskeptiker jubeln. Schnell wird klar: Die Brexit-Befürworter haben keinen Plan, wie der EU-Austritt zum Erfolg werden soll. Versprechen wie jene, dass man nun EU-Zahlungen von wöchentlich 350 Millionen Pfund in die Gesundheitsversorgung investiert, entpuppen sich als Lügen. Cameron zieht die Konsequenzen und tritt zurück.
IV Die Notlösung
Ausgerechnet in diesen turbulenten Zeiten müssen die Briten herausfinden, wer überhaupt das Land regiert. In einem parteiinternen Wettstreit wollen die Konservativen ihren nächsten Premier bestimmen. Was folgt, ist ein innenpolitisches Gemetzel sondergleichen. Die Kandidaten befördern sich nacheinander selbst ins Aus. Übrig bleibt: Theresa May. Sie wird Premier ohne Abstimmung. Eine Notlösung.
Doch auch May kann Machtgelüsten nicht widerstehen. Wie Cameron pokert sie hoch – und ruft überraschend Neuwahlen aus. Sie will ihre Macht im Parlament ausbauen, um Pläne eines harten Brexit, eines klaren Schnitts mit der EU zu verwirklichen.
V Chaos
Sie verzockt sich. In einer Schockwahl versenken die Briten die konservative Mehrheit. May muss zur Not mit der homophoben nordirischen Democratic Unionist Party eine Koalition bilden, um an der Macht zu bleiben. Zurücktreten will die schwer angeschlagene Premierministern aber nicht.
Die politische Bühne gleicht nun einem Schlachtfeld. Bei der Wahl haben alle verloren. Dabei war das nur die Generalprobe. Die Brexit-Verhandlungen beginnen erst – am 19. Juni. Dann erlebt das britische Drama seine eigentliche Premiere.