Es war Routine, grausame, todtraurige Routine, als Barack Obama gestern um 14 Uhr Ortszeit den James Brady Press Briefing Room im Weissen Haus betrat und die Nation zu trösten versuchte. Am Morgen hatte Omar Mateen (†29) in Orlando fünfzig Menschen erschossen. Es ist der zwanzigste Massenmord durch Schusswaffen, zu dem der US-Präsident in den vergangenen acht Jahren eine Erklärung abgab.
Die traurige Serie begann am 4. April 2009. Damals betrat Jiverly Voong (42) ein Gemeinschaftscenter in Binghamton, New York, und erschoss 13 Menschen. Wenige Stunden später folgte das Statement des Präsidenten. Es blieb noch bei der Beileidserklärung: «Michelle und ich haben erschüttert und tieftraurig von diesem sinnlosen Akt der Gewalt erfahren.»
Am 10. November desselben Jahres musste Obama vor den Familien von 13 Armeeangehörigen eine Trauerrede halten. Der Militärpsychiater Nidal Hasan hatte sie erschossen, nachdem er sich unbemerkt radikalisiert hatte. Es war das erste «Shooting» mit islamistischem Hintergrund in der Amtszeit des Präsidenten.
Es folgten unter anderem das Attentat auf eine Wahlveranstaltung der Demokratin Gabby Giffords mit sechs Toten in Tucson 2011, die 13 Morde im Kinosaal von James Holmes, sechs Tote in einem Sikh-Tempel in Oak Creek, der Amoklauf des Aussenseiters Adam Lanza in Newtown mit insgesamt 27 Opfern. Dann das Navy-Yard-Shooting mit zwölf Toten, eine zweite Schiesserei in Fort Hood mit drei Toten, Chapel Hill (drei tote Muslime), Charleston (neun Tote) und schliesslich, kurz vor den letzten Weihnachten, das Attentat des radikalisierten muslimischen Ehepaars Syed Farook und Tashfeen Malik in San Bernardino. Die Washington Post führt eine Liste mit allen Trauerkundgebungen des Präsidenten nach Bluttaten.
Das Muster seiner Reden ähnelt sich: Obama bezieht sich auf die Bibel, gibt seiner persönlichen und der Trauer der Nation Ausdruck. Was soll er sonst schon sagen?
Obama sah den Horror kommen
Denn seine Versuche – bei den letzten Attentaten wurden sie immer eindringlicher – die vielen Toten mit den laschen Waffengesetzen zu erklären, haben keine politische Wirkung erzielt. Gegen die mächtige Waffenlobby ist Obama unterlegen.
Prophetisch und bitter waren deshalb seine Worte während einer Rede erst vor zwei Wochen in Indiana, wie «Business Insider» berichtet. Zum Vorwurf, die Demokraten versuchten die USA zu entwaffnen, antwortete der Präsident: «Es wurden in meiner Amtszeit mehr Waffen als je in der Geschichte der USA verkauft. Es gibt genug Waffen für jeden Mann, jede Frau, jedes Kind in diesem Land.»
Er komme eben aus einem Meeting im Situation Room, in dem es um namentlich bekannte US-Bürger ging, die IS-Websites besuchen. «Wir dürfen sie auf eine No-Fly-Liste setzen. Aber wegen der Waffenlobby National Rifle Association, «kann ich diesen Leuten nicht verbieten, eine Schusswaffe zu kaufen». Ein IS-Sympathisant könne «in einen Waffenshop laufen, und so viel Gewehre und Munition kaufen, wie er will. Auch wenn das FBI genau weiss, wer er ist.»
Wie bei Omar Mateen: Drei Mal befragten ihn die Agenten der Bundesbehörden zu seiner IS-Sympathie, drei Mal geschah nichts. Der Nachtclub-Killer konnte ganz normal seiner Arbeit als Sicherheitsmann nachgehen und weiter Waffen kaufen. (bih)