Deutschland - Türkei
Türkischer Aussenminister greift Deutschland scharf an

Hamburg/Berlin – Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu hat Deutschland bei seinem Auftritt in Hamburg scharf angegriffen. Deutschland verfolge eine «systematische Gegnerschaft zur Türkei», sagte Cavusoglu laut einer Simultanübersetzung des Fernsehsenders n-tv am Dienstagabend.
Publiziert: 07.03.2017 um 20:22 Uhr
|
Aktualisiert: 08.10.2018 um 18:14 Uhr
Der türkische Aussenminister Cavusoglu auf dem Balkon der Residenz des türkischen Generalkonsuls in Hamburg.
Foto: KEYSTONE/EPA/CARSTEN KOALL

Türkische Staatsbürger würden in Deutschland «systematisch unterdrückt», sagte Cavusoglu unter dem Jubel seiner Anhänger vor der Residenz des türkischen Generalkonsuls in der Hansestadt. Dies sei inakzeptabel.

Er verbat sich «Lektionen in Menschenrechten und Demokratie» seitens der Bundesrepublik. Gleichzeitig betonte der, dass er an guten Beziehungen zwischen beiden Ländern interessiert sei.

Cavusoglu war in die Residenz ausgewichen, nachdem ein Auftritt am ursprünglich vorgesehenen Veranstaltungsort wegen einer fehlenden Brandmeldeanlage untersagt worden war.

Die Polizei hatte die Residenz abgeriegelt. In der Nähe demonstrierten zugleich rund 100 Menschen gegen die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Bei der Ankunft Cavusoglus skandierten sie: «Hau ab, hau ab.»

Europa habe grosse Probleme mit Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit, sagte der türkische Aussenminister weiter. In Europa gebe es auch eine systematische Kampagne gegen die Türkei und ihren Präsidenten. Zugleich unterstütze Europa alle Formen des Terrorismus' gegen die Türkei.

Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Europa vor dem Referendum am 16. April über eine Verfassungsreform, die dem Präsidenten deutlich mehr Macht geben soll, sind umstritten. Auch die rund 1,4 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland dürfen über die Einführung des Präsidialsystems abstimmen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel rief angesichts des Streits zu Souveränität im Umgang mit der Türkei auf. Deutschland müsse den Konflikt mit Ankara um Wahlkampf-Auftritte türkischer Minister im Land aushalten, sagte die Kanzlerin am Dienstag in einer Unionsfraktionssitzung in Berlin nach Teilnehmerangaben.

Es sei nicht klug, wenn Deutschland der Türkei die Einschränkung der Meinungsfreiheit vorwerfe und dann mit Einschränkung der Meinungsfreiheit antworte, sagte Merkel.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière sagte in der Sitzung, dass Erdogan bewusst Provokationen anfache, um die Wahlbeteiligung der in Deutschland lebenden Türken zu erhöhen. Das Präsidialsystem würde die Macht des türkischen Parlaments deutlich schwächen.

Nach Ansicht der Türkischen Gemeinde schadet der Streit um die Wahlkampf-Auftritte vielen Türken in Deutschland. Die türkische Regierung transportiere mit unbegründet harter Sprache Bedrohung und Verleumdung.

«Es handelt sich um ein verantwortungsloses Vorgehen, das die türkeistämmigen Menschen in Deutschland, ganz unabhängig von ihren jeweiligen türkeipolitischen Einstellungen, um ihre verbesserten Perspektiven bringt», kritisierte die Gemeinde am Dienstag in einem offenen Brief an beide Regierungen. Die türkische Gemeinschaft in Deutschland zahle den Preis «für dieses sinnlose populistische Anheizen».

Fehler gefunden? Jetzt melden