Der Streit um den bisherigen deutschen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maassen geht in eine neue Runde: Wie am Sonntag aus Koalitionskreisen in Berlin verlautete, soll Maassen nun doch in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.
Mit kritischen Äusserungen über die grosse Koalition soll sich der 55-Jährige, der eigentlich als Sonderberater ins Bundesinnenministerium wechseln sollte, nun erneut in die Schusslinie gebracht haben. Die Äusserungen würden «derzeit geprüft», teilte das Ministerium mit.
Nach Abschluss der Prüfung werde Bundesinnenminister Horst Seehofer die «notwendigen Konsequenzen ziehen», erklärte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Aus Sicherheitskreisen hiess es, das Ministerium bereite Maassens Demission vor.
Hintergrund ist eine Abschiedsrede Maassens, in der er von teilweise linksradikalen Kräften bei den Sozialdemokraten gesprochen hatte. Nach dpa-Informationen beklagte Maassen am 18. Oktober vor europäischen Kollegen in Warschau, seine Äusserungen zu den Vorfällen in Chemnitz seien für diese Kräfte willkommener Anlass gewesen, einen Bruch der grossen Koalition zu provozieren.
Er sei in Deutschland als Kritiker einer naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik bekannt. Die Rede war seit dem 24. Oktober im Intranet des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu lesen.
Aus SPD, CDU und der Opposition kam deutliche Kritik an Seehofer, der lange gegen die Ablösung Maassens war. SPD-Fraktionsvize Eva Högl wies darauf hin, dass ihre Partei schon vor Wochen Maassens Entlassung gefordert habe - «wegen seiner problematischen Äusserungen nach den Ereignissen in Chemnitz und seiner sichtbaren Neigung zu rechtspopulistischen Ansichten», wie sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte.
Nun sei offensichtlich auch Seehofer zu der Einsicht gekommen. «Das geschieht nur sehr spät und macht auch Herrn Seehofer zum Verlierer des Abends.»
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg sagte mit Blick auf Seehofer: «Das war keine klare Amtsführung.» Er könne verstehen, dass Maassen nichts daran setze, Sonderbeauftragter zu werden. «Das ist ja auch eher ein Abschieben», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte im ZDF: «Das ist an Absurdität nicht zu überbieten, was wir da mit Herrn Maassen und den Reaktionen darauf erlebt haben, dass man, wenn man Fehler macht, noch befördert wird.» Dieser Stil müsse ein Ende haben.
Seehofer steht spätestens seit dem CSU-Absturz bei der bayerischen Landtagswahl auch als Parteichef massiv unter Druck. In der CSU wird inzwischen fest damit gerechnet, dass er als CSU-Vorsitzender zurücktritt.
Wie er weiter mit der Causa Maassen umgeht, blieb zunächst offen. Als wahrscheinlich galt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vom Sonntagabend eine Versetzung des Verfassungsschutzchefs in den einstweiligen Ruhestand.
Seehofer hatte sich lange gegen eine Ablösung Maassens an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes gesträubt. Der Streit hatte im September eine Koalitionskrise ausgelöst, die fast zum Bruch der Regierung führte.
Im Zentrum stand die Äusserung Maassens, ihm lägen «keine belastbaren Informationen» vor, dass in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten.
In Chemnitz war am 26. August ein 35-jähriger Deutscher mutmasslich von Asylbewerbern erstochen worden, danach kam es zu ausländerfeindlichen Übergriffen.
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten sich im September zunächst darauf verständigt, dass Maassen als Staatssekretär ins Innenministerium wechseln sollte.
Nach einer Welle der Empörung beschlossen sie dann, dass der 55-Jährige im Innenministerium im Rang eines Abteilungsleiters für europäische und internationale Aufgaben zuständig sein sollte. Nach Maassens Abschiedsrede ist nun auch dies vom Tisch.
Die Grünen im Bundestag verlangen nun eine Sondersitzung des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste zu den neuen Vorwürfen gegen Maassen.
Die FDP schloss sich der Forderung an. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae sagte: «Herr Seehofer muss endlich eine Entscheidung treffen, damit diese Angelegenheit vom Tisch ist, die schon viel zu lange die Handlungsfähigkeit der Regierung lähmt.»
Linken-Fraktionsvize André Hahn erklärte dagegen, eine Sondersitzung des Kontrollgremiums halte er für entbehrlich. Am Mittwoch tage ohnehin der Innenausschuss des Bundestages. «Dort sollte sich dann auch Horst Seehofer erklären und am besten gleich mit seinen Hut nehmen, nachdem er Maassen bis zuletzt in Schutz genommen hatte.»
Nachfolger Maassens als Verfassungsschutzpräsident soll Berichten zufolge dessen bisheriger Vize Thomas Haldenwang werden. Das Bundesinnenministerium hat die Berufung des 58-jährigen Juristen bislang allerdings nicht bestätigt.