Deutschland
Merkel warnt vor Abschottung und wirbt für gemeinsame Werte

Berlin – Angesichts der Abschottungstendenzen in vielen Ländern hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Verteidigung gemeinsamer Werte und der Gestaltung der Globalisierung aufgerufen.
Publiziert: 23.11.2016 um 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 20:30 Uhr
Merkel hat sich unter anderem besorgt über die Auswirkungen von manipulierten Nachrichten und Hassreden im Internet auf die öffentliche Meinung gezeigt.
Foto: KEYSTONE/EPA DPA/BERND VON JUTRCZENKA

Bei der Budgetdebatte im Bundestag warb Merkel am Mittwoch dafür, die Werte, «die wir für richtig und wichtig halten», nicht nur in Deutschland zu stärken, sondern gemeinsam mit internationalen Partnern in die Welt zu tragen.

«Viele Menschen machen sich in diesen Tagen Sorgen um die Stabilität unserer so gewohnten Ordnung», sagte die Kanzlerin. Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer würden Gewissheiten durch die Digitalisierung und die Globalisierung in Frage gestellt. Ausserdem trügen Krisen in Deutschlands und Europas Nachbarschaft zur Beunruhigung bei.

Merkel machte deutlich, dass sie trotz der «alarmierenden» Ereignisse in der Türkei den Gesprächsfaden zu Ankara nicht abreissen lassen wolle. «Wir haben auch ein Interesse daran, mit der Türkei in einer vernünftigen Art und Weise zu kooperieren», sagte sie.

Die Bundeskanzlerin betonte, die deutsche Regierung habe den Putschversuch in der Türkei verurteilt. Mit Blick auf die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) fügte sie hinzu, dass sich Berlin gegen «jede Form von Terrorismus» stelle.

Der vereitelte Staatsstreich und der Kampf gegen Terrorismus rechtfertigten aber nicht die Einschränkung der Pressefreiheit und die Verhaftung «von tausenden und abertausenden Menschen» durch die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Die Absage des designierten neuen US-Präsidenten Donald Trump an das Freihandelsabkommen TPP kritisierte Merkel. «Ich bin nicht froh, dass das transpazifische Abkommen jetzt wahrscheinlich nicht Realität wird», sagte sie in der sogenannten Generaldebatte über die Regierungspolitik weiter. Zugleich lobte sie das kürzlich ausgehandelte Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada als wegweisend.

Sie wisse nicht, wer von dem Schritt Trumps profitieren werde und wolle sich mit Prognosen zurückhalten, sagte Merkel. «Ich weiss nur eins: Es wird weiter Handelsabkommen geben. Und die werden dann nicht die Standards haben, die dieses Abkommen und auch das angedachte TTIP-Abkommen (zwischen den USA und der EU) haben wird», fügte sie hinzu. Es gehe um Arbeitsplätze, fairen Wettbewerb und menschliche Gestaltung der Globalisierung.

Merkel zeigte sich zudem besorgt über die Auswirkungen von manipulierten Nachrichten und Hassreden im Internet auf die öffentliche Meinung. Sie forderte den Bundestag auf, sich mit neuen digitalen Möglichkeiten der politischen Manipulationen wie Social Bots oder Falschmeldungen zu beschäftigen. Dies sei nötig, wenn man die Stabilität Deutschlands «in einem völlig anderen medialen Umfeld» erhalten wolle, sagte Merkel.

Bürger informierten sich ganz anders als noch vor 25 Jahren. Das heisse, «dass heute Fakeseiten, Bots, Trolle, Meinungsbildung verfälschen können», sagte Merkel. Mit Blick auf soziale Netzwerke wie Facebook fügte sie hinzu, dass es zudem «Meinungsverstärker» durch Algorithmen geben könne. Anders als die klassischen Medien gebe es aber dafür keine Selbstregulierung und Kontrolle.

Mit Blick auf den Ukraine-Konflikt beklagte Merkel, dass die Gespräche über die Umsetzung des Friedensplans von Minsk «noch nicht so weit gediehen» seien, wie sie sich das wünsche.

Angesichts der Angriffe auf Spitäler im syrischen Aleppo warf die Kanzlerin der Regierung von Präsident Baschar al-Assad Verstösse gegen das Völkerrecht vor. Es sei «sehr bedauerlich, dass Russland dieses Regime unterstützt», sagte Merkel. Die Situation in Syrien mache «beklommen».

Es war die erste Rede der Kanzlerin im Parlament, nachdem sie am Sonntag angekündigt hatte, bei der Bundestagswahl 2017 wieder als CDU-Kanzlerkandidatin anzutreten.

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