Merkel und Macron kündigten am Montag in Berlin einen gemeinsamen Fahrplan für Reformen in der EU und der Eurozone an. Nach den Parlamentswahlen in Frankreich Mitte Juni soll es eine gemeinsame Kabinettssitzung geben.
«Wir können dem Ganzen eine neue Dynamik geben», sagte Merkel auf gemeinsamen Medienkonferenz beim Antrittsbesuch Macrons in Berlin. Dazu müsse man auch bereit sein, Verträge zu ändern. «Wenn wir sagen können, warum, wozu, was die Sinnhaftigkeit ist, wird Deutschland jedenfalls dazu bereit sein», sagte Merkel. «Die ganze Welt ändert sich», fügte sie hinzu.
Auch Macron betonte: «Für uns gibt es hier keinerlei Tabu.» Der 39-Jährige hatte im Wahlkampf eine klar pro-europäische Linie gegen die rechtspopulistische EU-Gegnerin Marine Le Pen vertreten und strebt eine enge Partnerschaft mit Deutschland an.
Unmittelbar vor seinem Kurzbesuch in Berlin hatte Macron den Konservativen Edouard Philippe zum neuen Premierminister ernannt. Der 46-Jährige war bislang Abgeordneter und Bürgermeister der Hafenstadt Le Havre und gehört zum moderaten Flügel der konservativen Republikaner-Partei um Ex-Premier Alain Juppé.
In Berlin kündigte Macron «tiefgreifende Reformen» in seinem Land an. Frankreich sei es in den vergangenen 30 Jahren nicht gelungen, das Problem der Massenarbeitslosigkeit zu lösen. «Die Regierung wird sich diesem Ziel verschreiben», versprach Macron, der an diesem Dienstag die Minister seines Kabinetts benennen will. Ebenso wie Merkel forderte er den Abbau bürokratischer Hemmnisse in der EU.
Mit dem Reformkurs wolle er auch das Vertrauen in Deutschland stärken. Ihm sei bewusst, dass Merkel in der Frage einer stärkeren Unterstützung Frankreichs durch Deutschland «Überzeugungsarbeit zu leisten hat gegenüber der öffentlichen Meinung», sagte Macron.
Eine Vergemeinschaftung alter Schulden in der Eurozone lehnte der neue Präsident ab. «Das führt zu einer Politik der Verantwortungslosigkeit», sagte er. «Ich habe nie Eurobonds gefordert.» Macron plädierte in Berlin allerdings für eine neue Investitionsoffensive in der Eurozone. «Wir müssen frisches Geld einbringen», forderte Macron.
Der französische Staatschef erklärte, Deutschland und Frankreich seien an einem «historischen Moment» angekommen. Angesichts des Vormarsches der Populisten in Europa müssten beide Länder noch stärker zusammenarbeiten. «Unser Verhältnis braucht noch mehr Vertrauen und konkrete Ergebnisse.» Er versprach Merkel: «Ich werde ein offener, direkter und konstruktiver Partner sein.»
Am Montagnachmittag war Macron vor dem Kanzleramt mit militärischen Ehren empfangen worden. Merkel begrüsste den Gast aus Paris mit einem herzlichen Händedruck - Küsschen wurden nicht ausgetauscht.
Macron will das traditionelle Rechts-Links-Schema in Frankreich durchbrechen und strebt eine Regierung mit Vertretern verschiedener politischer Lager an. Im Rennen um den Präsidentenposten waren Sozialisten und bürgerliche Rechte schon im ersten Wahlgang ausgeschieden.
Macron hatte am Sonntag die Macht als jüngster Präsident aller Zeiten übernommen. Die übrigen Regierungsmitglieder sollen am Dienstag ernannt werden.
Der Präsident muss bei der Wahl zur Nationalversammlung am 11. und 18. Juni eine Mehrheit erringen, um seine Reformagenda umsetzen zu können. Gelingt dies nicht, würde das Macrons Handlungsspielraum stark einschränken. Seine Bewegung «En Marche!» - unterdessen umbenannt in «La République en Marche» - ist bislang nicht in der Nationalversammlung vertreten.