Deutschland diskutiert über «Gefährder» – Israel handelt
Präventivhaft für IS-Fans nach LKW-Attacke

Der Lastwagen-Attentäter von Jerusalem war offenbar IS-Sympathisant. Diese sollen ab sofort ohne Anklage in Administrativhaft genommen werden.
Publiziert: 09.01.2017 um 17:21 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:14 Uhr
Blick auf das Viertel Armon Hanaziv, wo vier israelischen Soldaten am Sonntag bei einem Attentat mit einem Lastwagen starben.
Foto: imago

Nach dem jüngsten Lastwagen-Anschlag in Jerusalem reagierte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sofort. In einer Dringlichkeitssitzung hat das israelische Sicherheitskabinett beschlossen, IS-Anhänger künftig ohne Anklage in eine sogenannte Administrativhaft zu nehmen. Dabei handelt es sich um eine sechsmonatige Haft, die verlängert werden kann – auch wenn keine Anklage und kein Urteil vorliegen. 

Bei dem Attentat im Stadtteil Armon Hanaziv am Sonntag starben vier Soldaten, weitere 17 wurden verletzt: Der 28-jährige palästinensische Attentäter wurde erschossen. Armon Hanaziv gehört zu dem Teil Jerusalems, den Israel 1967 eroberte. In den letzten Monaten kam es dort wiederholt zu Anschlägen. Das Sicherheitskabinett beschloss zusätzlich, das Haus des Attentäters zu zerstören und seine Leiche nicht an die Familie zu übergeben.

Netanyahu sieht eine klare Parallele zu ähnlichen Attacken in Europa: «Wir wissen, dass es hier eine Serie von Anschlägen gibt, und es kann durchaus sein, dass eine Verbindung zwischen ihnen besteht, erst Frankreich und Berlin und jetzt Jerusalem.» 

Debatte auch in Deutschland

Seit dem vorweihnachtlichen Lastwagen-Anschlag auf einem Berliner Weihnachtsmarkt diskutiert auch Deutschland über den Umgang mit den sogenannten Gefährdern. Als solcher war der Attentäter Anis Amri den Behörden bereits lange vor dem Terroranschlag bekannt.

Präventivhaft scheint für die deutsche Regierung – anders als in Israel – kein Thema zu sein. Stattdessen fordert der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Überwachung der Gefährder mittels elektronischer Fussfessel.

Am Dienstag trifft sich Maas mit dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), um über die Konsequenzen aus dem Berliner Anschlag zu beraten. Im Vordergrund stehen strengere Abschieberegeln für die Gefährder. Bisher konnten Gefährder, die Deutschland verlassen müssen, nur bei einer realistischen Abschiebemöglichkeit in Haft genommen werden.

Im Fall von Amri scheiterte die Abschiebung an den tunesischen Behörden. Um das künftig zu verhindern, will die CDU einen neuen Haftgrund schaffen. 

Vorstösse von CVP und SVP

Auch in der Schweiz ist die Überwachung von IS-Anhängern ein Thema. Gemäss dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) leben hierzulande 480 Personen, die im Internet durch dschihadistisches Gedankengut aufgefallen sind. Der NDB macht aber keine Angaben zur Zahl der Personen, die tatsächlich als gefährlich eingestuft werden.

Im Parlament wurden dazu bereits mehrere Vorstösse eingereicht. Die SVP verlangt neue Rechtsgrundlagen, um Terrorismus-Unterstützer in Haft nehmen zu können. Und CVP-Präsident Gerhard Pfister fragt den Bundesrat in einer Interpellation nach den Möglichkeiten einer Präventivhaft für entlassene Häftlinge, die eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen. (pfc)

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