Nach dem Scheitern der Sondierungen zwischen Christdemokraten, Liberalen und Grünen dürfte Steinmeier Schulz an die staatspolitische Verantwortung der Sozialdemokraten und die Möglichkeit einer erneuten grossen Koalition mit CDU und CSU erinnern.
Die Bemühungen von CDU/CSU, FDP und Grünen, eine so genannte Jamaika-Koalition (schwarz-gelb-grün) zu bilden, waren am späten Sonntagabend abgebrochen worden, nachdem die FDP ausgeschert war.
Die SPD hatte unmittelbar nach ihrem Absturz bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent am 24. September eine grosse Koalition ausgeschlossen und dies Anfang der Woche bekräftigt. Seitdem ist in der Partei eine heftige Kursdebatte entbrannt, die auch dem Vorsitzenden Schulz gefährlich werden könnte.
Denn der Druck auf ihn ist gewachsen, aus staatspolitischer Verantwortung doch einer Zusammenarbeit mit der Union (CDU und CSU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zuzustimmen. Erwogen wurde dabei neben einer Neuauflage einer grossen Koalition auch die Tolerierung einer Minderheitsregierung. Zuletzt hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass Schulz sich zumindest Gesprächen mit der Union nicht verweigern würde.
In SPD-Kreisen wurde davon ausgegangen, dass der langjährige Aussenminister und SPD-Politiker Steinmeier Schulz die Botschaft an seine Partei mit auf den Weg gibt, dass Neuwahlen nicht im Interesse des Landes lägen.
Nach dem Termin im Schloss Bellevue in Berlin wollte Schulz am späten Donnerstagnachmittag die engere Parteiführung bei einer Sitzung im Willy-Brandt-Haus über die Unterredung mit Steinmeier informieren und das weitere Vorgehen der SPD besprechen.